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Querdenker, Gewerkschafter, Sozialist

Zum Tode Jakob Monetas

  • Heiner Halberstadt und Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Alter von 97 Jahren verstarb am Wochenende in Frankfurt am Main der demokratische Sozialist und Gewerkschafter Jakob Moneta.
Jakob Moneta
Jakob Moneta

Der am 11. November 1914 in Blasowa (Galizien) geborene Spross einer jüdischen Kaufmannsfamilie wuchs in den Jahren der Weimarer Republik in Köln auf, wo sich seine Familie auf der Flucht vor einem Pogrom 1918 niederließ. Dort schloss sich der junge Gymnasiast Anfang der 30er Jahre dem Jugendverband der linkssozialistischen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) an. Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 wanderte Moneta nach Palästina aus und engagierte sich beim Aufbau eines Kibbuz. Sein Eintreten für einen binationalen Staat und ein gemeinsames Engagement von jüdischen und arabischen Arbeitern brachte ihm Konflikte mit zionistischen Kräften ein. Er verließ den Kibbuz und nagelte in einem Zitrussyndikat Apfelsinenkisten. »Mit anderen Kistenmachern organisierte ich einen Streik für die Einführung des Acht-Stunden-Tages und flog prompt raus«, erinnerte sich der Hochbetagte an sein erstes gewerkschaftliches Engagement. Der britischen Besatzungsmacht war der junge Rebell suspekt. Sie steckte ihn für zweieinhalb Jahre wegen des Verdachts kommunistischer Konspiration und Gründung einer jüdisch-arabischen Gewerkschaft in ein Internierungslager. Dort lernte er viele arabische Sozialisten kennen, mit denen er später eng zusammenarbeitete.

1947 zog es Moneta und seine aus Duisburg stammende erste Frau Mathilde wieder ins Rheinland. In Köln wurde er Redakteur beim SPD-Blatt »Rheinische Zeitung«, für das 100 Jahre zuvor Karl Marx gearbeitet hatte. Politische Konflikte mit dem sozialdemokratischen Mainstream beendeten das Engagement bereits Anfang der 50er Jahre. Von 1953 bis 1962 fungierte Moneta als Sozialattaché bei der bundesdeutschen Botschaft in Paris. Er trat dafür ein, dass in Sozialabkommen der EWG eine Angleichung der sozialen Standards an den jeweils höchsten Stand eines der Mitgliedsländer erfolgen sollte.

Als 1963 der damalige IG-Metall-Vorsitzende Otto Brenner einen Chefredakteur für das Gewerkschaftsorgan »metall« suchte, fiel die Wahl auf seinen alten SAP-Mitstreiter Jakob Moneta. Der neue Chefredakteur förderte sozialkritische Publikationen ebenso wie den jungen Autor Günter Wallraf, der mit seinen enthüllenden Reportagen aus der Arbeitswelt erstmals einem größeren Publikum bekannt wurde. 1976 organisierte Moneta für den DDR-Liedermacher Wolf Biermann das »Kölner Konzert«, das dem aufmüpfigen Sänger Einreiseverbot und Ausbürgerung aus der DDR einbrachte. Dass der zunehmend nach rechts gerückte Musiker später seinen einstigen Freund und Förderer als »Stasi-Agenten« bezeichnete, fand Moneta zeitlebens »empörend und infam«. Schließlich stützte sich Monetas Marxismus und Sozialismus auf die Stalinismuskritik des 1940 von einem Agenten Stalins ermordeten russischen Revolutionärs Leo Trotzki und das Ziel einer auf Arbeiterräte gestützten sozialistischen Demokratie. Die damaligen DDR-Behörden verhängten über Moneta ein Einreiseverbot bis zum Jahr 2000.

1978 gab Jakob Moneta seine Tätigkeit als »metall«-Chefredakteur auf. Nun hatte er mehr Zeit für Reisen und für die Pflege alter politischer und persönlicher Freundschaften. Ein Rückzug aus politischen und publizistischen Aktivitäten kam für den Ruheständler nie in Frage. Bei Reisen in die (Ex-) DDR warnte Moneta vor den Folgen einer Zerschlagung der Betriebe und Kombinate. »Wenn hier die Produktion und Dienstleistung unter westliche, privatwirtschaftliche Regie kommt, wird enorme Arbeitslosigkeit und sozialer Niedergang die Folge sein«, prophezeite er im Frühjahr 1990 im Gespräch mit Thüringer Arbeitern.

Wegen »Unterstützung der Bestrebungen der PDS« wurde Moneta 1990 mit einer Sechs-Zeilen-Mitteilung nach 40-jähriger Mitgliedschaft aus der SPD ausgeschlossen. Nach vielen Diskussionen trat er in die PDS ein und gehörte bis 1995 deren Bundesvorstand an. Als rüstiger 80er nahm er an vielen gewerkschaftlichen Aktivitäten teil. So begleitete er etwa 1996 die um ihre Zukunft bangenden Arbeiter des Rüdesheimer Weinbrandproduzenten Asbach nach London und fungierte bei Protestaktionen vor dem Sitz des Weltkonzerns United Destillers als Dolmetscher. »Er war einer meiner wichtigsten Ratgeber«, so der NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer.

Bis ins hohe Alter verfolgte der geistig jung gebliebene Moneta das Tagesgeschehen, schrieb Briefe, Artikel und Kommentare. Weil die körperlichen Kräfte nachließen, zog er vor wenigen Jahren in ein jüdisches Seniorenheim. Der Streiter für eine bessere Welt, Mahner gegen alte und neue Nazis, Internationalist, Antistalinist und Verfechter einer konsequenten Gewerkschaftsarbeit wurde am Montag auf dem Jüdischen Friedhof in Frankfurt beigesetzt. »Wir sind dankbar, dass uns Jakob Moneta an seiner großen Lebenserfahrung teilhaben ließ«, heißt es in einem Nachruf der hessischen LINKEN.

»Jakob Moneta hat sich mit all seiner Energie sein ganzen Leben lang für Gerechtigkeit, Freiheit und Würde eingesetzt«, sagte der IG Metall Bundesvorsitzende, Berthold Huber, gegenüber »nd«. »Sein Engagement fürs Unbequeme wird auch weiterhin für viele Vorbild sein für die Hoffnung auf bessere Zeiten.« Moneta habe sich in einem Interview einmal gewünscht, so Huber weiter, dass bei seiner Grabrede der Satz fallen solle: »Er hat uns geholfen«. »Das kann die IG Metall nur unterstreichen: Du, Jakob Moneta, hast uns geholfen.«

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