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Aus tiefer Not

Luther und Bach - Ausstellung in Eisenach

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

In Eisenach besuchte Martin Luther die Lateinschule und sang im Chor der Georgenkirche; später übersetzte er auf der Wartburg das Neue Testament ins Deutsche. Rund zweihundert Jahre später wurde Johann Sebastian Bach in derselben Georgenkirche getauft; er sang dort ebenfalls im Gottesdienst und besuchte dieselbe Lateinschule wie zuvor Luther.

Das Eisenacher Bachhaus beleuchtet nun die Beziehung zwischen dem Reformator und dem Komponisten. »Luthers Verdienste um das Kirchenlied stehen im Mittelpunkt unserer Sonderausstellung«, sagt Direktor Jörg Hansen. »Wir machen Luthers Lieder hörbar in der Gestalt, die ihnen Bach gab.« Damit klinkt sich das Bachhaus ein in das fünfte Themenjahr der Luther-Dekade 2012, das unter dem Motto »Reformation und Musik« steht.

»Gottes Wort will gepredigt und gesungen sein«, war die Überzeugung Luthers, der leidenschaftlich gern sang und die Laute spielte. Er setzte auf die Macht der Musik, um seine Lehre zu verbreiten und den Gottesdienst zu erneuern. Musik war für ihn einerseits ein Geschenk Gottes, andererseits der beste Weg, die Herzen der Gläubigen für Gottes Wort zu öffnen. Als »Orpheus im Mönchgewand« wurde er deshalb von seinem katholischen Widersacher Johann Cochlaeus verspottet.

Luther dichtete 37 Lieder; zu den bekanntesten gehören »Vom Himmel hoch, da komm ich her« und »Ein feste Burg ist unser Gott«. 17 Melodien hat er dazu selbst komponiert; die anderen sind Übernahmen oder Bearbeitungen katholischer Gesänge. »Wir wollen das Bild Luthers vom enthusiastischen Musikdilettanten korrigieren«, erklärt Jörg Hansen, der auf die kompositorischen Feinheiten in den Liedern aufmerksam macht: In »Vom Himmel hoch« fällt die Melodie, als schwebe sie vom Himmel herab. »Aus tiefer Not schrei ich zu Dir« beginnt mit einem Quintsprung abwärts, der den Sturz in die Not anzeigt.

Mit solchen Liedern stellte Luther die Kirchenmusik vom Kopf auf die Füße: Geistlicher Gesang, auf Latein, war bis dahin Chor und Priestern vorbehalten gewesen. Luther hingegen schrieb umgangssprachliches Deutsch und ließ die Gemeinde singen. Infolgedessen kam das Gesangbuch auf, die »wohl schönste Erfindung der Reformation«, so Hansen.

Die Ausstellung zeigt mehrere Gesangbücher aus Luthers Lebzeiten, darunter das »Achtliederbuch« von 1524 sowie das von Luther persönlich herausgegebene Wittenberger Gesangbuch von 1535, in dem erstmals das Lied »Vom Himmel hoch« auftaucht. Auch einige wertvolle Gesangbücher der Bachzeit liegen aus, zum Beispiel ein Exemplar des Kantors Melchior Vulpius, das im Besitz der Bachfamilie war.

Die übersichtlich gestaltete Schau besteht aus mehreren Modulen, die je ein Lutherlied behandeln. Jeder Abschnitt hat eine Hörstation, an der dieses Lied in mindestens einer Bachschen Fassung gehört werden kann. Ein historisches Gesangbuch ist an entsprechender Stelle aufgeschlagen, so dass man beim Hören die Choralmelodie verfolgen kann.

Mindestens 30 Lutherlieder hat Bach verwendet; einige sogar mehrfach. So erscheint »Vom Himmel hoch« unter anderem im Weihnachtsoratorium und im Magnifikat. Texttafeln erklären, wie detailverliebt der Komponist die Liedtexte ausdeutete. So dienen im Orgelchoral »Aus tiefer Not schrei ich zu Dir« die gegen den Takt verstoßenden Synkopen als Symbol für die Sünde. Es folgt ein leichtfüßiger lang-kurz-kurz-Rhythmus - Bachs Figur des Gottvertrauens. Anschaulicher als in dieser Ausstellung lässt sich kaum erfahren, wie tief Bachs Werk von der Theologie und den Liedern Luthers geprägt ist. »Ohne Luther kein Bach«, bringt es Ausstellungsmacher Jörg Hansen auf den Punkt.

»Bach, Luther und die Musik«. Bis 11. November 2012 im Bachhaus Eisenach, tgl. 10-18 Uhr

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