nd-aktuell.de / 07.03.2012 / Brandenburg / Seite 9

100-Tage-Bilanz aufgehübscht

Rot-Schwarze Koalition präsentierte Mindestlohn und streicht Beitragsgesetz

Klaus Joachim Hermann

Mit gleich zwei politischen und vor allem materiellen Wohltaten hübschten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Stellvertreter, Innensenator Frank Henkel (CDU), gestern noch kräftig die eigene 100-Tage-Bilanz auf. Beschlossen wurde in dem von ihnen geführten schwarz-rotem Senat die Abschaffung des unseligen und allseits kritisierten Gesetzes über die Zahlung von Beiträgen zum Straßenausbau.

Hinzu kam die Ankündigung, dass künftig öffentliche Auftragsvergaben an die Zahlung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro gebunden werden. Beschäftigungsmaßnahmen für Arbeitslose, erklärte Klaus Wowereit allerdings wortreich, gehörten nicht zum 1. Arbeitsmarkt - sie seien »ein anderes Segment«. Den Schluss, dass es dort bei 7,50 Euro bleiben dürfte, musste man schon selber ziehen.

Die Chefs von Rot-Schwarz traten nach der Senatssitzung gut gelaunt und bis hin zur Kleiderordnung einmütig vor die Journalisten im Roten Rathaus. Wowereit und Henkel erschienen in schwarzen Anzügen, mit weißen Hemden, ohne Krawatten, die Kragen offen. Einen »partnerschaftlichen Stil« hob der Partner von der CDU hervor. »Diese Regierung ist angekommen.« Eine »sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit« lobte der SPD-Mann. Die Koalition sei »von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen« worden.

»Kurzweilige, teilweise turbulente, aber erfolgreiche Tage« bilanzierte der Senatschef. Sieben von neun Senatsmitgliedern seien neu ins Amt gekommen. Doch eine Schonfrist habe es in den ersten 100 Tagen nicht gegeben. Der Entwurf des Doppelhaushaltes 2012/2013 konnte zügig verabschiedet werden. Es herrsche bei den Eckpunkten der Haushaltspolitik »breiter Konsens«. Als Grundlage habe der vom vorherigen rot-roten Senat verabschiedete Haushalt gedient, dieser musste aber verändert werden.

Besonderen Wert legte der Regierungschef auf den Bereich Bildung. Für den Ausbau der Kita-Betreuung seien 20 Millionen Euro und für mehr Ganztagsbetreuung 34 Millionen Euro bereitgestellt. Zusätzlich sieben Millionen Euro gingen in das Hortangebot für 5. und 6. Klassen. Schul- und Sportstätten sollen zusätzlich zu den Mitteln der Bezirke mit 41 Millionen Euro saniert werden.

Der Regierende Bürgermeister sieht in der Koalition auch ein »klares Bekenntnis zur Infrastruktur«. Der Hauptstadtflughafen sei »auf Expansion ausgelegt«, kündigte er eine wachsende Zahl von Flügen an. Die genehmigte Zahl werde noch nicht erreicht. Der Bau der A 100 beginne, wenn der Gerichtsentscheid da sei. Beim Thema Mieten sprach Klaus Wowereit von einem Paradigmenwechsel. Es würden keine pauschalen Mieterhöhungen durch öffentliche Wohnungsunternehmen akzeptiert. Der Senat wolle regulierend eingreifen, könne aber »nicht alles verhindern«.

Die Konsolidierung des Berliner Haushaltes mit seinen über 60 Milliarden Euro Schulden bleibt wichtiges Thema. Die Bestimmungen der Schuldenbremse würden eingehalten, versicherte Klaus Wowereit. »Wir wollen schon 2016 ohne neue Nettokreditaufnahme auskommen«, sagte er. Das bedeute strikte Ausgabendisziplin.

»Wichtige Weichenstellungen sind getroffen«, sekundierte der Koalitionspartner. Ergänzungen leistete er sich nur zum Lob der Zusammenarbeit mit der SPD und zu seinem Verantwortungsbereich. Dabei räumte er ein, in den 100 Tagen gelernt zu haben, was für ein »außerordentlich kompliziertes juristisches Gebiet« die Bestimmung eines Polizeipräsidenten sei. Jeder, der ein bestimmtes Anforderungsprofil erfülle, solle sich bewerben können, sagte er. Es werde »keine Tricksereien geben, um bestimmte Bewerber abzuhalten«. Die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers »führt die Behörde kommissarisch sehr gut«, anerkannte er.

Offenbar wichtig war es Innensenator Henkel bei dieser Gelegenheit, Verdächtigungen als »Schwarzer Sheriff« oder »Law-and-Order-Mann« zurückzuweisen. Die Landesprogramme gegen Rechtsextremismus blieben auf dem gegenwärtigen Niveau. »Ich will die Liberalität Berlins bewahren«, betonte er. »Toleranz heißt aber nicht Wegschauen.« So kämen bald mehr Polizisten auf die Straßen. Die Speicherung von Überwachungsvideos werde auf U-Bahnhöfen von 24 auf 48 Stunden ausgeweitet.