Goldene Regeln für Schiefergas

Konferenz in Warschau pries die umstrittene Förderung an - und blendete Umweltrisiken aus

  • Jens Mattern, Warschau
  • Lesedauer: 2 Min.
Polen sieht sich als das El Dorado des Schiefergases in Europa. Auf einer internationalen Konferenz wird hinter verschlossenen Türen über Regeln für die Förderung diskutiert.

Ein »goldenes Zeitalter« wurde am Mittwoch in der Warschauer Universitätsbibliothek eingeläutet - vom polnischen Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak, von Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), von Vertretern der mexikanischen und australischen Regierung sowie verschiedenen Mineralölfirmen. Es geht um Schiefergas.

Für Fatih Birol sprechen viele Fakten für eine steigende Förderung von »unkonventionellem Erdgas«, das vor allem in Tonsteinen vorkommt. »Im Jahr 2000 lag der Anteil an der Förderung bei gerade 5 Prozent, heute sind es schon 15 Prozent, im Jahre 2035 werden es 24 Prozent sein«, so der IEA-Ökonom. Schiefergas sei ein effizienter Treibstoff, klima- wie umweltverträglich und seine Förderung angesichts steigender Ölpreise immer gewinnbringender.

Der Ort des Treffens wurde nicht zufällig gewählt. Nur 4,5 Kilometer entfernt, unter der Erde, befinden sich Europas größte Schiefergasreserven. Auf ein Vorkommen von 5,3 Billionen Kubikmeter werden die Vorkommen in einem Streifen vom Gdansker Raum über Warschau bis zur südöstlichen Ecke Polens geschätzt. Das Land hofft, damit vom Gasimporteur zum Exporteur aufzusteigen und sich vom gefürchteten russischen Energieriesen Gazprom unabhängig zu machen.

Der Schiefergasabbau bringt aber neue Abhängigkeiten. Seit 20 Jahren wird in den USA im großen Stil gefördert. Von dort kommen die Technologie und die meisten Förderunternehmen. Die polnische Regierung hat bereits über 110 Konzessionen für Probebohrungen vergeben. An vielen Stellen wurden die Konzerne fündig.

In Zukunft könnte Polen zum Kooperationspartner für andere Länder werden. Mexikos Vizeenergieminister Mario Gabriel war sichtlich beeindruckt: Man könne von der »Aggressivität« lernen, mit der Polen die Etablierung dieser Energieform durchsetze.

Bedenken wurden auf der Tagung kleingeredet. Umweltschützer kritisieren, dass die bei der Förderung verwendeten Chemikalien das Grundwasser schädigen können. Beim Abbau von Schiefergas muss eine waagrechte Bohrung vorgenommen werden, wodurch mit Chemikalien angereichertes Wasser gepresst wird, um das Gas freizusetzen. Als besonders gefährlich gilt dabei Benzol, das stark krebserregend ist. In den USA ist es bereits zu Problemen gekommen. Der Bundesstaat New York hat deshalb die Förderung verboten. Auch in Europa regt sich Widerstand. Frankreich will die Förderung EU-weit verbieten. In Brüssel sieht man freilich noch keine Notwendigkeit für eine länderübergreifende Regelung.

Polen würde sich einem solchem Diktum kaum beugen. Schiefergas hat für die nächsten Jahre oberste Priorität. Premier Donald Tusk versprach den Beginn der Förderung schon für 2014. Die Konferenz in Warschau sollte Regeln dafür aufstellen. Für diesen Teil der Konferenz waren Journalisten nicht zugelassen. Ende Mai soll die Öffentlichkeit informiert werden.

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