Ein Gefängnis als Erlebnishotel

VVN-BdA: Ambergs Fronfeste war Gestapo-Kerker

  • André Jahnke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Im bayerischen Amberg wird das mehr als 300 Jahre alte Gefängnis zum Hotel umgebaut. Verfolgte des NS-Regimes kritisieren die Pläne als Verhöhnung der Opfer.

Amberg. Hinter den dicken Mauern des alten Gefängnisses ist es kalt und zugig. Die engen Gänge der Fronfeste in Amberg mit den abzweigenden Zellen zeugen noch von den Qualen der Insassen. Die Anlage diente vom Ende des 17. bis ins 20. Jahrhunderts als Gefängnis, manche Häftlinge warteten hier auch auf ihren Scharfrichter. An diesem ehemals schauerlichen Ort soll noch in diesem Herbst nach drei Jahren Umbauphase ein Hotel eröffnet werden. Nun regt sich gegen die »Rast im Knast« Widerstand. Als Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes bezeichnet die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) die Hotelpläne.

Keinerlei Hinweise?

»Die Fronfeste diente 1933 bis 1945 als Gefängnis der Gestapo, hier wurden zahlreiche Opfer des Naziregimes eingesperrt«, sagt VVN-Landesgeschäftsführer, Guido Hoyer. Widerstandskämpfer wurden dort inhaftiert, in der Feste fanden Folterungen und Hinrichtungen statt. An so einem Ort dürfe kein Erlebnishotel entstehen.

»Ich habe seit Jahren recherchiert und keinerlei Hinweise auf ein Gestapo-Gefängnis gefunden«, sagt dagegen der Besitzer der Fronfeste, Gerald Stelzer. Der 41-Jährige will aufklären und nicht mit aus Gruselgeschichten Kapital schlagen. Bereits beim Bauantrag 2008 hat er angegeben, aus einer der fensterlosen Zellen einen Dokumentationsraum mit Schautafeln zur Geschichte des Gefängnisses zu machen. Auf die Internetseite des Hotels hat er einen geschichtlichen Abriss über die Fronfeste gesetzt. »Dort fehlen allerdings Angaben für die Jahre 1935 bis 1945, weil es darüber keine Unterlagen gab.« Mittlerweile hat Stelzer EU-Mittel für weitere Recherchen beantragt, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Auch das Amberger Staatsarchiv kann nicht aufklären. »Gefangenenbücher des Landgerichts-Gefängnisses sind für die NS-Zeit nicht vorhanden. Sie setzen im Staatsarchiv erst mit dem Jahr 1948 ein«, sagt Jochen Rösel vom Staatsarchiv. Aus den Akten des Landgerichts gehe zumindest hervor, dass von 1879 bis 1922 in Amberg 14 wegen Mordes verurteilte Männer hingerichtet wurden. Die letzte dokumentierte Hinrichtung in der Fronfeste erfolgte 1935: Ein Dreifach-Mörder starb unter der Guillotine.

Jörg Fischer vom Stadtarchiv sagt, es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass in der Fronfeste während der NS-Zeit Menschen gefoltert worden sind. Er glaubt, dass sich die Kritik vor allem auf das 1993 erschienene Buch von Norbert Flach »Spurensicherung - Amberg und der Landkreis unter dem Hakenkreuz« stützt. Dort heißt es: »Spricht man mit noch lebenden Widerstandskämpfern, so wird die Fronfeste als Gestapo-Gefängnis beschrieben.« Weil in den Buch zu diesem Kapitel aber Quellennachweise fehlen, ist es für Fischer eine keine wissenschaftliche Veröffentlichung.

Eröffnung im Oktober

Unterdessen laufen die Arbeiten in dem mehr als 300 Jahre alten Gemäuer unter Hochdruck weiter. Böden werden gedämmt und gefliest, hunderte Meter Leitungen verlegt, Toiletten und Duschen installiert sowie Heizungen angebracht. Bis Oktober will Gerald Stelzer 17 Einzel- und Doppelzimmer mit bis 30 Quadratmetern für die ersten Gäste anbieten, dazu gibt es einen großen Seminarraum für Firmen. Er hofft auf Tagesgäste und Radtouristen, die im Herzen der Altstadt Ambergs eine Rast im Knast einlegen.

Protest

Die VVN-BdA Bayern protestiert gegen die Pläne, die Fronfeste Amberg in ein Erlebnishotel umzubauen: »Ein Ort des Nazi-Terrors als Erlebnishotel - das ist eine Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes«, stellt Landesgeschäftsführer Guido Hoyer klar. Auf der VVN-Webseite heißt es: »Nach der Pogromnacht 1938 wurden Amberger Juden, darunter der Rabbiner Leopoldt Godlevsky dort interniert, auch sozialdemokratische und kommunistische Widerstandskämpfer wurden hier eingesperrt, in der Fronfeste fanden Folterungen und Hinrichtungen statt.« (nd)

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