Antifaschisten unerwünscht

Nishni Nowgorods »Zentrum zur Bekämpfung des Extremismus« verfolgt russische Aktivisten

  • Alisa Iwanitzkaja, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Freitag soll in Nishni Nowgorod unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Prozess gegen die Antifaschisten Artjom Bystrow, Pawel Kriwonossow, Albert Gainutdinow und Dmitri Kolessow beginnen.

Den Beschuldigten wird die Bildung einer extremistischen Gruppe namens »Antifa-RASH«, Rowdytum, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen. Die Angeklagten selbst behaupten, Mitarbeiter des örtlichen »Zentrums zur Bekämpfung des Extremismus« (Zentrum E) hätten sowohl die Gruppe erfunden als auch vermeintlich Geschädigte und Zeugen zu Falschaussagen genötigt. Zwar gab es tatsächlich tätliche Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und Nationalisten, aber die »Opfer« haben ihre Aussagen während der Ermittlungen mehrfach geändert. »In mehreren Fällen haben meine Mandanten Alibis«, erklärte der Verteidiger Dmitri Dinse. Seiner Auffassung nach versucht die Polizei, durch das Strafverfahren Anhänger der Antifa-Bewegung auszuschalten.

Indirekt werde diese These durch die Art der Ermittlungen gestützt. So habe die Polizei die Wohnung eines Angeklagten in dessen Abwesenheit 40 Minuten lang durchsucht. Ohne Zeugen. Anschließend präsentierten die Beamten einen Mitgliedsausweis der Organisation »Antifa RASH« (Red Anarchist Skinheads), in dem die englische Bezeichnung allerdings falsch geschrieben war. »Dem Untersuchungsbericht zufolge war die Organisation streng hierarchisch aufgebaut, was der Idee des Anarchismus, die ihnen ebenfalls zur Last gelegt wird, jedoch fundamental widerspricht«, sagt Dinse.

Das Analysezentrum Sowa (Eule) bezeichnet das Verfahren gegen die Antifaschisten in Nishni Nowgorod als nicht legitim: »In den vergangenen Jahren wurde die Verfolgung von Antifaschisten intensiviert.« Die Polizei versuche jede Aktivität zu unterdrücken, die nicht von »oben« gebilligt sei.

Die Sowa-Experten weisen indes darauf hin, dass sich die Betroffenen nicht immer friedfertig verhalten. Als Beispiel nennt Sowa den Fall des Antifaschisten Anton Fatulajew, der am 24. Februar zu vier Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Er hatte in einer Prügelei zwischen rechtsextremen Fußballfans und Antifaschisten auf Juri Ewsukow eingestochen. Fatulajews Erklärung, er habe aus Notwehr gehandelt, akzeptierte das Gericht nicht.

Bei Angriffen auf Antifaschisten reagieren die Behörden jedoch wesentlich zögerlicher. Nachdem am 9. Februar der Antifa-Aktivist Nikita Kalin im Hof des Physikinstituts von Samara tot aufgefunden worden war, wurden die Ermittler erst aktiv, als der Fall bereits Medienthema war. Erst zehn Tage nach der Ermordung ihres Sohnes wurden Nikitas Eltern befragt. Seine Mutter berichtete russischen Medien, dass Angreifer ihrem Sohn 61 Schnittverletzungen, mehrere Rippenbrüche und Kopfverletzungen beigebracht hatten.

Aus den Medien erfuhren die Eltern inzwischen, dass ein Verdächtiger festgenommen wurde, der 22-jährige Nikolai Z. Auf seiner Jacke sollen Blutspuren vom Opfer nachgewiesen worden sein. Jelena Schkajewa, Sprecherin der Untersuchungsbehörde, dementierte die ursprüngliche Version, wonach der Mord von einer nationalistischen Gruppe verübt wurde. »Details der Untersuchung werden jedoch geheim halten«, kritisierte Peter Krasnow vom Zentrum gegen Diskriminierung in Samara, ein Bekannter Kalins.

Der Journalist Maxim Solopow meint, die Polizei sei gegenüber Antifaschisten voreingenommen. »Sie werden bei Auseinandersetzungen mit Nationalisten öfter für schuldig erklärt und bekommen schärfere Strafen.«

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