»Bild« erklärt die Bilder

Die Ausstellung »Art and Press« ist eine fatale Verbindung mit dem Springer-Konzern eingegangen

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.
Wüst, anarchisch, kritisch: die Installation von Jonathan Meese
Wüst, anarchisch, kritisch: die Installation von Jonathan Meese

Ausgerechnet die »Bild«-Zeitung. Das Massenblatt mit Herrschaftsanspruch wird vom Gropiusbau zum »Kunstdolmetscher« geadelt. Die Gegenaufklärer als Aufklärer – fataler kann man den Bock wohl kaum zum Gärtner machen. In einer so seltsamen wie seltenen Kooperation begleiten die Königsmacher aus dem Hause Springer die nächsten Wochen die heute eröffnende Ausstellung »Art and Press – Kunst, Wahrheit, Wirklichkeit« im Ausstellungshaus am Parlament. Auf täglich einer ganzen Seite, der Textanteil wird zu vernachlässigen sein, sollen den elf Millionen »Bild«-Lesern die modernen Kunstwerke zum Thema Medien erläutert werden. Es ist dies eine unglückliche und unpassende Konstellation. Schließlich hätte das tägliche Pamphlet mit den großen Buchstaben doch umgekehrt Objekt der kritischen Betrachtung sein sollen, sein müssen. Gropiusbau-Direktor Gereon Sievernich sprach dennoch von einer »wunderbaren Zusammenarbeit«.

Die Ausstellung selber kann zunächst durch Umfang und große Namen beeindrucken. Auch das Thema vermag zu elektrisieren. Schließlich haben sich in den letzten 200 Jahren nicht umsonst Künstler wie Feininger, Braque, Picasso oder Grosz mit dem Phänomen Zeitung inhaltlich oder ästhetisch beschäftigt. 56 Künstler präsentieren ihre Positionen, 15 davon wurden extra für die Ausstellung geschaffen. Die Kuratoren versprechen nichts weniger als einen Überblick über die Beschäftigung der zeitgenössischen Kunst mit der Zeitung seit den 60er Jahren bis heute.

Empfangen wird der Besucher von den toten Stars Joseph Beuys und Andy Warhol. Von Warhol sieht man die berühmten Desaster-Bilder: verfremdete Drucke mit Pressefotos von Autounfällen. Robert Rauschenberg schuf einen Altar aus Collagen, Günther Uecker verwandelt eine Ausgabe der »Zeit« in ein Nagelbrett, Franz West errichtete klobige Skulpturen aus Pappmaché, also aus Zeitungen, die sich nun stumm gegenüber stehen. Gerhard Richter malte acht von einem Serienkiller ermordete Lernschwestern – er hatte davon aus der Zeitung erfahren.

Der riesige Zyklus »Original und Fälschung« von Sigmar Polke ist nur in Auszügen zu sehen, füllt aber dennoch einen großen Raum. Jene umfassende Aufarbeitung der Phänomenologie des Echten und Gefälschten wurde durch Berichte über falsche Rembrandt-Bilder angestoßen und stellt Zeitungsberichte den Werken Polkes gegenüber. Ähnlich kraftvoll ist vor allem die Installation, die Jonathan Meese um sein Gemälde »Erzland« geschaffen hat. Eine wüste, anarchische Sammlung und eine der medienkritischsten Arbeiten der Ausstellung.

Diese Kritik kommt, gemessen an Gestus und Untertitel der Ausstellung, eindeutig zu kurz. Zwar durfte man natürlich keine Anti-Murdoch-Ausstellung erwarten. Auch wäre eine Ansammlung allzu politischer Beiträge ermüdend. Doch die weitgehende Konzentration auf Arbeiten, die sich eher mit dem Werkstoff Zeitung und seiner Ästhetik (im Gegensatz zu seinem oft zerstörerischen Inhalt) auseinandersetzen, enttäuscht.

Das geht auch dem Berufsverband Bildender Künstler Berlins (bbk) so, der die Zusammenarbeit mit RWE und »Bild« scharf kritisiert. Das Werk international bekannter Künstler sei hier mit dem Ziel durchkämmt worden, die wirtschaftlichen Interessen des Medienpartners bedienen zu können. Die gezeigten Werke verbinde einzig und allein die Verwendung von Buchstabe, Wort oder Zeitungspapier. Dies sei eine »schale kuratorische Idee, eine kunsthistorische Fleißarbeit«, die von renommierten Künstlernamen getragen werden solle, so Herbert Mondry, Vorsitzender des bbk.

Das kann man nur unterschreiben. Verwerflich ist bei all dem aber vor allem die Art, in der ein öffentliches Haus einer ideologischen Institution wie »Bild« den Teppich ausrollt, bei deren Bestreben, sich einen vollends harmlos-gesellschaftsfähigen Anstrich zu geben. Besonders schockierend: Kein einziger beteiligter Künstler hatte laut Kuratoren etwas gegen diese unheilige Allianz einzuwenden.

Wohin die Reise vermarktungstechnisch geht, konnte man schon in der gestrigen »Bild« lesen. Unter der Abbildung eines Werkes von Barbara Kruger liest man: »Besonders eindrucksvoll in der »Bild«-iPad-App«.

Bis 24. Juni, Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Tel.: (030) 254 86-0, www.artandpress.de
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