Feminismus heute

Interview mit Gisela Notz

  • Lesedauer: 2 Min.
Dr. Gisela Notz, ist Sozialwissenschaftlerin und Historikerin. 2011 erschien ihr Buch »Feminismus« (PapyRossa, 132 S. brosch., 9,90 €).
Dr. Gisela Notz, ist Sozialwissenschaftlerin und Historikerin. 2011 erschien ihr Buch »Feminismus« (PapyRossa, 132 S. brosch., 9,90 €).

nd: Wozu heute noch über Feminismus schreiben, wo doch die Alpha-Frauen der CDU an der Regierung sind?
Notz: Ich denke schon, dass Feminismus nach wie vor seine Berechtigung hat, denn die gleichberechtigte, friedliche, gewaltfreie Gesellschaft, die sich die Feministinnen der 70er Jahre gewünscht haben, ist ja keinesfalls verwirklicht.

Sie schreiben, Feminismus sei ein »vielstimmiger und kontroverser Diskurs«...
Ja. Viele reden vom Feminismus und sie meinen damit oft die 70er Jahre und Alice Schwarzer, die dafür steht. Aber es gibt viele Feminismen mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Ökofeminismus zum Beispiel, und den Feminismus der schwarzen Frauen. Heute gibt es auch wieder ganz moderne Richtungen, etwa die Post-Gender- und Queer-Feministinnen, die die Vorstellungen haben, dass alle Geschlechterunterschiede konstruiert sind, und dass man auf eine Gesellschaft hinarbeiten kann, wo das alles keine Rolle mehr spielt.

Was bedeutet Feminismus für Sie?
Feministinnen sind nicht einverstanden mit der Welt, so wie sie jetzt eingerichtet ist. Und zwar weder mit der schichtspezifischen, noch mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und Einteilung der Gesellschaft. Aber ich belasse es nicht bei der Analyse. Ich überlege mir vielmehr auch: Wie kann man an die Wurzeln der Diskriminierung gehen, sprich: Wie kann die kapitalistische Gesellschaft verändert werden, damit diese gleichberechtigte Gesellschaft überhaupt möglich ist?

Sie sagen: Feminismus bedeutet nicht immer Geschlechterkampf.
Es gibt auch Männer, die es gar nicht gut finden, dass Frauen weniger verdienen oder dass sie nachts nicht ohne Angst durch die Straßen gehen können. Ohne männliche Verbündete hätte die Frauenbewegung manches nicht geschafft. Vor 1919 waren Rechte, etwa das Versammlungsrecht, nur mit Hilfe von Männern in den Reichstag einzubringen und durchzusetzen, weil Frauen nicht dort saßen. Die egalitäre Gesellschaft braucht auch emanzipierte Männer.

Halten Sie es für möglich, dass der Feminismus als politische Bewegung obsolet wird: aufgehoben in einer anderen Bewegungs- oder Denkrichtung, mit einem höheren Ziel?
Ich kämpfe nicht für den Begriff. Wenn die allgemeine Gleichberechtigung hergestellt wäre, dann bräuchten wir keinen Feminismus mehr. Davon sind wir weit entfernt.

Fragen: Ralf Hutter

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