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Farbei in die Debatte

Widerstand gegen Stadtkultur-Lab von Guggenheim und BMW beschäftigt Innenausschuss

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 5 Min.
Versenkt? Linke Initiativen wollen keine oberflächliche, von BMW diktierte Diskussion.
Versenkt? Linke Initiativen wollen keine oberflächliche, von BMW diktierte Diskussion.

Die Kombination von angekündigten Farbbeutelwürfen, angekündigten Besetzungen und dem erwarteten »Zeigen von Transparenten« bildeten das nach Ansicht der CDU von »linken Chaoten« aufgebaute »Gefährdungspotenzial«, welches in den letzten Wochen für Wirbel rings um das geplante Projekt von Guggenheim und BMW sorgte. In einer Sondersitzung des Innenausschusses gab die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers einen Überblick über die Chronologie der Ereignisse.

Das um die Welt reisende Labor zur Erforschung von Stadtkultur ist innerhalb kurzer Zeit zum neuen Symbol für Gentrifizierungsprozesse - respektive des Protestes dagegen geworden.

Mit einer Kreuzberger Brache an der Spree begann die größtenteils medial ausgetragene Ausein-andersetzung zwischen Gut und Böse, »denen« und »uns«, Verantwortlichen und Betroffenen. Die wenigen übrig gebliebenen Freiflächen im zentraleren Berlin sind schon lange Symbol im Kiezkampf gegen Verdrängung bestimmter Mieterklientel und geschlossene Eigenheimfronten. So schnell indes hat David noch nie gegen Goliath Erfolg verbuchen können: In Kreuzberg wird BMW künftig nicht die Berliner Stadtkultur erforschen.

Ob nun die Sicherheitsbeauftragten der Guggenheimstiftung oder die PR-Leute von BMW einen Rückzieher machten, wurde indes auch im Innenausschuss nicht deutlich. Das Landeskriminalamt (LKA) sei gegenüber den Planern zu der Einschätzung gekommen, die linke Szene Kreuzbergs sehe das Lab als Provokation und werde dagegen mit eingangs genannten Mitteln protestieren - distanziere sich jedoch von der Anwendung körperlicher Gewalt. Laut Koppers gab es mehrere Gespräche mit den Organisatoren und Sicherheitsbeauftragten von BMW und der Guggenheimstiftung. Zuletzt am 20. März, dem Tag der Absage. In diesem Gespräch habe die Sicherheitsabteilung des Sponsors BMW nach Alternativgrundstücken gefragt, so Koppers.

Nach Ansicht der Fraktionen von Grünen, LINKEN und Piraten haben sich die Lab-Veranstalter zu übereilt von dem Standort verabschiedet. Nun wird ein neues Areal gesucht, im Mai schon soll das Lab eröffnen. Doch der Protest dagegen ist längst über die Bezirksgrenzen geschwappt.

Denn Kreuzberg spielt in dieser Debatte nur die Rolle eines Beispiels. Mit seinem Erbe des von der Mauer umschlossenen häuserbesetzten, linkem Mikrokosmos der 1980er Jahre ist der Bezirk zum Touristenmagneten verkommen. Selbst der ehemals mit politischen Inhalten angefüllte 1. Mai ist hier zur bloßen Straßenfete geworden, Caipi zwei Euro, Sterni eins fuffzich. Kreuzberg - wie Prenzlauer Berg und Friedrichshain - ist attraktives Pflaster für Investoren, die vom so urtypischen Berliner Charme profitieren möchten. Das daraus folgende Problem der steigenden Mieten und der Gentrifizierung sei jedoch jahrelang weggewischt worden, so die Stadtentwicklungsexpertin von den Grünen, Antje Kapek.

Die Kreuzberger, egal ob zugezogen oder gebürtig, haben dagegen ihren Wohnblock zum Kiez erklärt, den es zu schützen gilt. Gegen alles und jeden. Das Spreeufer gegen Großinvestoren, die die letzten Strandbars ausrotten und öffentlichen Raum privatisieren wollen. Den Club gegen Dirndl tragende Süddeutsche, die ja schließlich als personifizierte Gentrifizierungs-Ursache zu vertreiben sind. (Drinnen tanzen derweil Menschen in karnevalesker 70er Jahre Kleidung, es ist Rollschuh-Disko.)

So richtig das eine ist, so absurd ist das andere. Beide Seiten des Protests mischen sich jedoch und zeichnen ein unschönes Bild konservativer Stadtteilbewohner, die sich gerne selbst zu Wächtern einer »Kreuzberger Kultur« ernennen.

Passendes Pflaster also eigentlich für das Vorhaben, Stadtkultur in all ihren Facetten zu erforschen. Doch »offensichtlich sollte der lokale Hintergrund nur als Dekoration bei der Umsetzung von markenstrategischen Überlegungen dienen, die BMW selbst als ›experiental branding‹ bezeichnet«, kritisiert der Initiativkreis Mediaspree Versenken! AG Spreeufer. »Ernsthafte Anliegen von Anwohnern wie etwa eine kritische Auseinandersetzung mit Themen wie Gentrifizierung, Recht-auf-Stadt und öffentliche Zugänglichkeit von Uferflächen sind in einem solchen marketingorientierten Kontext nicht überzeugend zu kommunizieren.« Die Initiative war nach eigener Auskunft von Anfang an in die Pläne eingebunden, hatte jedoch eine mögliche Beteiligung Mitte März abgesagt. »Auf Nachfrage mussten die Veranstalter einräumen, dass durchaus geschlossene BMW-Veranstaltungen im Lab und auf dem freien Grundstück an der Spree zu erwarten sind. Da unsere Initiative das Ziel ›Spreeufer für alle‹ verfolgt, sehen wir in der Beschränkung des zur Zeit für alle uneingeschränkten Zugangs zur Cuvry Brache keine Basis mehr für die gemeinsame Arbeit mit dem BMW Guggenheim Lab.«

Die Suche nach einem Alternativstandort wird sich schwierig gestalten, wenn sich Guggenheim und BMW von der nun hochgekochten Debatte abschrecken lassen. »Was für ein Diskussionsprozess ist das, wenn man sich nach Äußerung einer Gegenmeinung zurückzieht«, fragte Uwe Doering (LINKE) am Mittwoch. Von den Grünen hieß es, BMW habe als Sponsor befürchtet, die negativen Schlagzeilen könnten das Image des Konzerns beschädigen

Die Situation Prenzlauer Berg beispielsweise ist keine andere als in Kreuzberg. »Über die Zukunft mitreden dürfen und sie uns gleichzeitig unterm Arsch wegziehen, diese Show kann sich nur ausdenken, wer glaubt, dass Verdrängung und Kürzungen lautlos über die Bühne gehen«, so Initiativen und Projekte aus Mitte und Prenzlauer Berg in einem offenen Brief. »Wir warten nicht auf die Zukunft der Metropole, wenn BMW drüber steht. Wir sind keine Statisten für eine Imagekampagne eines Autoherstellers, der nicht nur seine Geschichte reinwaschen, sondern auch seine Zukunft damit sichern will.«

Der künftige Standort wird auf jeden Fall gut bewacht sein. Sobald das Kuratorium eine Entscheidung getroffen habe, »werden wir ein gemeinsames Schutzkonzept erstellen«, so Koppers.

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