Uff 'ne Molle und 'nen Korn

GELESEN

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie sind (leider) die letzten ihrer Art, Relikte aus dem vorletzten Jahrhundert, und eigentlich sollte man sie, bevor auch die letzten verschwunden sind, unter Denkmalschutz stellen - die alten Berliner Kneipen. Hierher kommen die Leute - die in Schlips und Kragen genauso wie die Unrasierten in zerschlissenen Hosen - uff 'ne Molle und 'nen Korn. Zum Feierabend tauchen sie ein in ein Berlin, das es vor der Tür schon lange nicht mehr gibt. In den Kneipen lebt die Erinnerung an große Mimen wie im »Diener Tattersaal« in Charlottenburg oder wie in der »Restauration zur Gardestube« in Köpenick, an verkrachte Existenzen, die es dennoch zu Weltruhm brachten: wie es einst dem Hauptmann von Köpenick glückte.

15 dieser Kneipen, die allesamt wie Filmkulissen wirken und deshalb nicht selten auch welche waren, hat der Lehmstedt-Verlag mit dem Bild-Text-Band »Berliner Jahrhundertkneipen« jetzt ein Denkmal gesetzt. Clemens Füsers schrieb die Geschichten zwischen Zapfhahn und Stammtisch mit dem Blick fürs Besondere auf. Es macht solchen Spaß, sie zu lesen, dass man sofort Lust bekommt, auf eine Zeitreise durch die Wirtsstuben zu gehen. Nicht ganz so überzeugend sind die Fotos von Gudrun Olthoff. Ein paar mehr Menschen hätten sie schon vertragen. Denn glücklicherweise halten die Kiezbewohner ihren Kneipen im wirklichen Leben die Treue. Man kann nur hoffen, dass das noch lange so bleibt.

»Berliner Jahrhundertkneipen«, Lehmstedt-Verlag Leipzig, ISBN 978-3-942473-16-3, 19,90 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal