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Absturz in Sibirien fordert 31 Opfer

Zwölf Passagiere überleben die Flugzeugkatastrophe bei Tjumen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

31 Menschen starben gestern früh beim Absturz eines Passagierflugzeuges in Westsibirien. Unter den Toten sind alle vier Besatzungsmitglieder. Zwölf der 43 Insassen überlebten und liegen mit teilweise sehr schweren Verletzungen - vor allem Verbrennungen - auf den Intensivstationen der Krankenhäuser in Tjumen. Zuerst war von 17 Überlebenden die Rede. Doch vier Menschen verstarben am Unglücksort, noch bevor die Bergung begann, eine Frau erlag ihren Verletzungen beim Transport in die Klinik. Ob Kinder an Bord waren, ist noch nicht geklärt.

Die Unglücksmaschine - ein zweimotoriges Kurzstrecken-Propellerflugzeug, das vom französisch-italienischen Luftfahrtkonzern Avions de Transport Régional hergestellt wird - war gegen 5:40 Moskauer Zeit (3:40 mitteleuropäischer Sommerzeit) vom Flughafen Roschtschino in Tjumen zum Linienflug nach Surgut gestartet, verschwand jedoch nur zehn Minuten später von den Bildschirmen der Fluglotsen und stürzte rund 40 km von der Startbahn entfernt auf einen Acker. Augenzeugen wollen gesehen haben, wie die Maschine beim Aufprall auf die Erde in drei Teile zerbarst, die dann zu brennen begannen.

Die Unglücksursache ist bisher nicht geklärt. Die Ermittlungsbehörde bei der Generalstaatsanwaltschaft und das für die technische Untersuchung zuständige Zwischenstaatliche Komitee für zivile Luftfahrt gehen derzeit vor allem zwei Versionen nach: menschliches Versagen - Fehler der Piloten oder der Fluglotsen - und technische Mängel des Flugzeugs. Probleme, sagte einer der Ermittler der Nachrichtenagentur RIA nowosti, habe es möglicherweise bereits beim Start gegeben, die Besatzung hätte daher offenbar eine Notlandung versucht. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Flughöhe unmittelbar vor dem Absturz nur 100 Meter betrug. Vor allem wegen der geringen Flughöhe habe auch ein Teil der Insassen überlebt.

Die beiden Flugschreiber wurden bereits geborgen. Von ihrer Auswertung - aufgezeichnet wird auch der Dialog der Besatzung - erhoffen sich die Ermittler eindeutige Erkenntnisse zu den Unglücksursachen. An der technischen Untersuchung der Katastrophe werden auch die Hersteller beteiligt. Darunter sind Vertreter des kanadischen Unternehmens, das die Triebwerke lieferte. Fahnder beschlagnahmten auf dem Flughafen von Tjumen bereits die gesamte Dokumentation zu Flügen mit Maschinen dieses Typs. Dort kümmern sich auch Psychologen um die Angehörigen der Toten.

Wegen des Unglücks hat Russlands Präsident Dmitri Medwedjew seinen Terminkalender umgeworfen, ein Treffen mit Vertretern bisher nicht zugelassener Oppositionsparteien wurde auf den heutigen Dienstag vertagt.

Die ATR-72, die seit 1989 hergestellt wird und maximal 74 Passagieren Platz bietet, ist seit etwa zehn Jahren auch in Russland im Einsatz. Vor allem kleinere Fluggesellschaften leasen derzeit insgesamt mehrere Dutzend Maschinen dieses Typs. Allein die Airline UTAir, der das gestern abgestürzte Flugzeug gehörte, hat über dreißig davon in Betrieb, mit denen auch Ziele in Osteuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken angeflogen werden. UTAir genießt einen guten Ruf und überstand auch den Stresstest, dem sich alle russischen Airlines im Herbst 2011 nach einer Serie von Flugzeugunglücken unterziehen mussten. Wer nicht bestand, verlor die Lizenz.

In Russland gab es mit der ATR-72 bisher keine nennenswerten Probleme. In anderen Gegenden der Welt dagegen wurden bereits drei Abstürze registriert und auf dem Flughafen von Thailands Insel Ko Samui kollidierte 2009 eine Maschine dieses Typs bei der Landung mit einem Kontrollturm.

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