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Der Fischer ohne seine Frau

Die Brotfabrik gibt in den nächsten Wochen Improvisationstheater viel Raum

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sache hatte ein Nachspiel. Hoffnungsvoll empfahlen die Zuschauer, ein fröhliches Wiedersehen in Szene zu setzen. Daraus wurde jedoch eine im Wartezimmer einer Rettungsstelle oder ähnliches. Freude kam jedenfalls nicht auf.

In der Brotfabrik erlebte »Hear and Now Dimensions« seine Uraufführung. Eine neue Theaterform an diesem Ort, bei der improvisierte Musik, Schauspiel und Licht eine Symbiose eingehen sollen. Idee und Konzept sind gut. Die Akteure verschiedener Künste sind aufgefordert, aufeinander einzugehen. Jenseits des Mainstreams soll das hier geschehen, was das auch immer heißen mag. Denn das gilt glücklicherweise für fast alles Theater, das sich auf der Brotfabrikbühne abspielt.

Kurzum, der erste Versuch von »Hear and Now Dimensions« ließ ahnen, zeigte aber noch nicht, was diese Theaterform bieten kann. Stephan Ziron improvisierte zunächst am Klavier. Sein Spiel wurde begleitet von Lichteffekten. Hernach äußern sich die Zuschauer darüber, welche Bilder sich bei ihnen beim Zusammenspiel von Musik und Licht eingestellt hatten. Gewitter, Meer, Regen beispielsweise kamen als Vorschläge. Das war schon viel für die sparsamen Lichteffekte von Manou Voigt. Wobei unklar ist, ob dieser Minimalismus auf die technische Ausstattung der Brotfabrikbühne zurückzuführen war.

Auf die Vorschläge der Theatergäste mussten sich die zwei Darsteller Mandy John und Thomas Jäkel einstellen. Außerdem auf einen Gegenstand, den die Theaterbetreiber der Brotfabrik auf der Bühne hinterlegt hatten. In diesem Fall war es eine Plastikbandrolle. Aus dem Band wurde wogendes Gewässer. Jäkel fuhr als Fischer aufs Meer hinaus. Der Schauspieler hatte gute Ideen und warf später wiederholt die Angel aus. Auch als Zeichen für seine Spielpartnerin, auf seine Intentionen einzugehen.

Da kam aber nix. Sie war nicht zu inspirieren, stand oder saß nur depressiv herum, wurde im Spiel zeitweise zu Therapeutin oder mahnender Übermutter, war völlig blockiert oder unfähig, umzusetzen, was hier gefordert war. Das war nun jenseits von Gut und Böse. Jäkel gab den Tragisch-Komischen. Vergeblich. Der Frau fiel nichts ein. Sie ließ ihn hängen. Und im Spiel hängte er sich auch auf.

Thomas Jäkel kommt vom Zwiebelfisch-Theater. Dort gibt es Erfahrungen mit schauspielerischer Improvisation in Kombination mit Musik und synchron dazu entstehenden Zeichnungen. Improtheater muss nicht vordergründig komisch sein, sollte nicht auf Comedy reduziert werden, ist sein Ansatz. Dass die Leute bei ihm trotzdem etwas zu Lachen bekommen, ist seinem Talent für die Tragikomödie zu danken. Hier aber stand er damit allein da. In diese Lage sollte er nicht wieder kommen. Der Kontakt zwischen ihm und dem Pianisten indessen funktionierte gut. Die beiden wussten sich spielend zu verständigen. Im Mai soll es einen zweiten Versuch geben, der auf jeden Fall lohnt. Möglicherweise sollte man dann die Schauspieler von einem Thema erlösen und ihnen Gelegenheit für mehrere kürze Stücke geben, statt eins über die gesamte Zeit zu ziehen.

Die Brotfabrikbühne gibt momentan Improtheater viel Raum. Die Gruppe Jump zeigt hier Krimis, bei denen das Publikum bestimmt, wer Täter, wer Opfer wird (11.4.). Die Schauspieler von Antigone 2.0. spielen »Ajax/Don Quichotte« in ihrer sogenannten Betaversion. Ihr Ansatz ist die provokante These, das Theater der neuen Lebensart mit allwissendem Internet anpassen zu müssen (13.-15.4.).

Als witzigste wie bescheidenste Improtheatergruppe der Welt wiederum verstehen sich die Improvisionäre, die auch komplette Stücke nach Publikumsvorgaben spielen (27.4.). Bei der Langen Nacht der Opern und Theater am 28.4., die in der Brotfabrik um 16 Uhr beginnt und weit nach Mitternacht endet, sieht man außer den Improvisionären auch die »Changeroos«.

Ab 11.4., 20 Uhr, Improtheater in der Brotfabrik, Caligaryplatz 1, Weißensee, Tel.: (030) 471 40 01

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