Integration auf dem Silbertablett

Junge Islam Konferenz stellt Forderungskatalog an Innenminister Friedrich vor

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Woche ist reich gefüllt mit Terminen im Dienste der Integration. Dem zweitägigen Jugendintegrationsgipfel zu Wochenbeginn folgt am heutigen Donnerstag die Junge Islam Konferenz (JIK).

Beiden Veranstaltungen haftet wie ihren »Mutterveranstaltungen«, dem Integrationsgipfel und der Deutschen Islam Konferenz (DIK), der Ruch an, symbolische Gremien ohne Tiefenwirkung für die Integration zu sein.

Zwei Tage lang hat der Berliner Politologiestudent Serdar Bulat im Rahmen des Jugendintegrationsgipfels im Bundeskanzleramt zugebracht und mit gut 100 anderen Jugendlichen darüber beraten, wie es in Sachen Integration in Deutschland weiter gehen soll. Aus seinem Workshop wurden Angela Merkel und der Bundesintegrationsministerin Maria Böhmer konstruktive Vorschläge unterbreitet: Über die Medien müsse mehr sexuelle Aufklärung von Migranten in türkischer und arabischer Sprache stattfinden. Schulen bräuchten mehr Beratungsstellen. Im deutschen Lehrplan solle die Migration nach 1945 fest eingebaut werden. Imame müssten nicht aus dem Ausland importiert, sondern für die deutschen Moscheen auch in Deutschland ausgebildet werden. Die ausländischen Berufsabschlüsse sollten anerkannt werden, damit gerade Akademiker aus dem Ausland nicht mehr nur Aushilfsjobs bekommen. Und die jungen Erwachsenen fantasierten über die Einrichtung interkultureller Mehrfamilienhäuser: Die deutsche Oma betreut zusammen mit der alleinerziehenden türkischen Mutter den Nachwuchs.

»Das war schon eine seriöse Veranstaltung im Sinne von: Die Jugend Deutschlands spricht! Aber zwei Tage sind zu wenig Zeit und es ist eine Art Schaufensterpolitik. Wir wurden auf dem Tablett präsentiert: Seht her, die Bundesregierung spricht mit der Jugend«, kritisiert der 24-jährige Bulat, dessen Eltern aus der Türkei stammen.

Fast nahtlos an den Integrationsgipfel und die parallele Jugendveranstaltung schließt sich die Deutsche Islam Konferenz (DIK) an. Nach dem Ausstieg bzw. Ausschluss des Zentralrats der Muslime und des Islamrates halten nicht wenige den aktuellen Diskurs zwischen Islam und dem deutschen Staat nur noch für reine Fassade. Ein konfliktloses Geplänkel zwischen einigen muslimischen Vertretern und Politikern ohne kontroverse Gesprächspartner gerade aus dem konservativ-islamischen Milieu. Für viele ist die DIK inzwischen nur eine teure »Dialogveranstaltung« ohne verbindliche Beschlussfähigkeit. Wohl auch deshalb verlässt die Bochumer Islamwissenschaftlerin Armina Omerika die Deutsche Islamkonferenz, wie sie heute mitteilte. »Unter Innenminister Friedrich erwarte ich keine Fortschritte mehr«, erklärte sie gegenüber der »taz«.

Serdar Bulat nimmt an der gleichzeitig stattfindenden JIK teil, die allerdings nicht von der Politik, sondern seit zwei Jahren von der Essener Stiftung Mercator unterstützt und von der Humboldt-Universität Berlin organisiert wird.

»Das ist keine einmalige Vorzeigeveranstaltung wie bei der Bundeskanzlerin, sondern ein ständiger Dialog unter gut 30 jungen Erwachsenen aus allen Gesellschaftsbereichen«, lobt der Berliner, der als Vertreter für die Grüne Jugend dabei ist. Für die Berliner Polizei nimmt Hadi Chehadé aus dem Arbeitsgebiet Integration und Migration (AGIM) an der JIK teil. Der 24-jährige Beamte trägt auch im Dienst zivil. Er weiß, dass der Staat im Alltag oftmals weniger mit Strenge erreicht, als vielmehr durch Gesprächsbereitschaft. »Meine Dienststelle beschäftigt sich seit gut 20 Jahren mit sogenannter Netzwerkarbeit. Mancher Probleme werden wir als Polizei selbst nicht immer Herr, gerade im Bereich der Prävention«, sagt Chehadé. Er setzt sich zum Beispiel an Schulen dafür ein, runde Tische, an denen etwa auch der Imam der Ortsmoschee sitzt, einzurichten. Der könnte den besorgten Eltern dann noch einmal erklären, dass ein acht- bis neunjähriges Mädchen noch nicht pubertierend ist und auch aus religiösen Gründen problemlos am Schwimmunterricht teilnehmen kann.

Aber es gebe eben auch Grenzen des Dialogs. Dass die demokratiefeindliche Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG) seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird und daher der Islamrat, in dem Milli Görüş dominiert, nicht mehr zur Islamkonferenz eingeladen wird, hält der Berliner Polizist für gerechtfertigt. Auch einen Dialog mit den islamistischen Salafisten, die mit ihrer öffentlichen Koranverteilung für Aufsehen sorgten, hält Chehadé für wenig sinnvoll, aber er kritisiert auch, dass bei der Deutschen Islam Konferenz vorher ausgewählt wird, wer teilnehmen darf. »Jeder, der nicht vertreten ist, wird sagen, für mich spricht diese Konferenz nicht«, erklärt Chehadé. Die Polarität »Islam hier, Staat dort«, hält er für falsch. »Auch die Kirchen müssten mit dabei sein, wie etwa bei uns in der Jungen Islam Konferenz«, sagt der junge Muslim. Dennoch hält er die DIK weiterhin für eine sinnvolle Veranstaltung. So ist nach wie vor das Ziel, dass Vertreter der jungen Muslime endlich auch beim Bundesinnenminister eingeladen werden und an der »Erwachsenen«-Runde teilnehmen dürfen. Heute übergeben sie ihm einen Forderungskatalog. Die jungen Muslime empfehlen eine dauerhafte mediale Intervention, um sowohl gegen islamfeindliche als auch radikal-islamische Inhalte im Internet reagieren zu können. Insbesondere aber soll die schulische Kooperation und Integration verstärkt werden. Dafür wird das Budget der JIK von bisher knapp 50 000 Euro auf einen Millionenbetrag aufgestockt, heißt es aus der Geld gebenden Mercator-Stiftung in Essen.

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