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Sind Sie links oder rechts?

Matthias Schrade ist Mitglied im Bundesvorstand der Piratenpartei

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Sind Sie links oder rechts?

nd: Herr Schrade, der Parteiausschluss des Holocaust-Relativierers Bodo Thiesen scheiterte. Warum fällt es den Piraten so schwer, solche Leute loszuwerden?
Schrade: Da waren wir machtlos. Dass es nicht zum Ausschluss gekommen ist, lag an einer Formalie. Es gab für Thiesen bereits eine Verwarnung. Technisch gesehen sind seine Äußerungen damals bestraft worden. Man kann niemanden für das gleiche Vergehen zweimal bestrafen. Das gilt leider auch dann, wenn sich herausstellt, dass diese Ordnungsmaßnahme für die Schwere des Schadens, der hier angerichtet wurde, zu schwach war. Wir werden jetzt prüfen, ob ihm andere Äußerungen zur Last gelegt werden können.

Thiesen ist nicht der einzige Fall. Das Bemühen, Leute loszuwerden, die sich antisemitisch äußern, hält sich in Grenzen. Wieso?
Das ist falsch. Ja, es gibt solche Leute bei uns. Und jeder ist einer zu viel. Aber mir sind höchstens fünf, sechs konkrete Fälle bekannt, in denen auch entsprechende Maßnahmen erfolgt sind. Die öffentliche Wahrnehmung ist hier verzerrt durch einzelne Mitglieder, die in der Jugendzeit mal in der NPD waren, erkannt haben, dass es ein Fehler war, und sich später der Piratenpartei angeschlossen haben. Das ist aber ein ganz anderer Fall als jemand, der Mitglied bei uns ist und dann entsprechende Äußerungen tätigt.

Die Piraten verstehen sich als »postideologische« Partei, die weder links noch rechts ist. Das zieht doch Rechtsradikale regelrecht an.
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Piraten sind die einzige Partei, die sich klar gegen Extremismus jeglicher Art positioniert. Einige haben ein Problem damit, dass wir extrem kulturoffen sind. Die Medien haben gelegentlich versucht, uns in die rechte Schublade zu stecken, wohlgemerkt: die rechtsextreme. Aber rechte Positionen hat auch die CDU. Und das ist schon ein kleiner, feiner Unterschied.

Was den Umgang mit der NS-Vergangenheit angeht, scheint es keine klare Position bei den Piraten zu geben. Liegt das daran, dass für viele junge Piraten die Geschichte ein alter Hut ist?
Der Holocaust ist eines der oder das größte Verbrechen in der Geschichte, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich wüsste niemanden, der sich als Geschichtsrelativierer bei uns in einem Amt befindet. Wenn Sie mir da einen Hinweis geben könnten, wäre ich sehr dankbar.

Sie haben vorhin von einem »Extremismus jeglicher Art« gesprochen. Ist das nicht eine Gleichsetzung von Antifaschisten mit Rechtsradikalen?
Wenn jemand aus antifaschistischen Gründen Häuser anzündet oder Steine wirft, dann verurteile ich den genauso wie jemanden, der das gegen Ausländer macht.

Sie würden also sagen, dass gewalttätige Neonazis dasselbe sind wie Antifaschisten, die sich gewaltsam gegen Neonazis wehren?
Nein, das ist nicht dasselbe, aber Gewalt löst immer Gegengewalt aus, egal, aus welcher Richtung sie kommt. Ein letzter Hinweis, um zu verdeutlichen, wie absurd der Vorwurf der Holocaust-Relativierung oder einer antisemitischen Tendenz bei den Piraten ist: Sie wissen, dass unter anderem unsere politische Geschäftsführerin Jüdin ist. Das ist in der Partei allen völlig egal.

Interview: Thomas Blum

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