Hollande geht als Favorit in die Stichwahl

Linksfront engagiert sich bedingungslos für Abwahl Sarkozys

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Noch am Sonntagabend, als die Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahl in Frankreich analysiert wurden, läuteten die beiden Kontrahenten der Stichwahl am 6. Mai den Wahlkampf für die Entscheidung ein. Wenn die Wähler von Linksfront und Grünen im zweiten Wahlgang Hollande unterstützen, dürfte die Präsidentschaft Sarkozys Geschichte sein.

Während der Favorit François Hollande seine Anhänger vor »verfrühtem Triumph oder Euphorie« warnte und zu einer massiven Mobilisierung aller Kräfte aufrief, betonte der noch amtierende Präsident Nicolas Sarkozy, dass »noch nichts entschieden« sei. Jetzt gelte es, alle Reserven aufzuspüren und in den Kampf zu werfen.

Für dieses Tauziehen hat der Sozialist Hollande zweifellos die bessere Ausgangsposition. Vor allem kann er auf den Rückhalt der Wähler der Linksfront und der Grünen zählen. Jean-Luc Mélenchon, Kandidat der von Kommunisten und Linkspartei gebildeten Linksfront, hat zwar am Wahlabend den Namen des PS-Kandidaten nicht in den Mund genommen, aber seine Anhänger eindeutig aufgerufen, »am 6. Mai alles zu tun, um Sarkozy zu schlagen«. Wie der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei, Pierre Laurent, dazu betonte, »ist das ein klarer Aufruf, für François Hollande zu stimmen«.

Umfragen zufolge könnten 86 Prozent der Wähler, die im ersten Wahlgang für Mélenchon votiert haben, ihre Stimme im zweiten für Hollande abgeben. Zwar hat Mélenchon betont, dieses Votum sei eine Frage des Prinzips, es erfolge »ohne Vorbedingungen« und sei nicht das Ergebnis von Verhandlungen mit entsprechenden Gegenleistungen. Doch kann man davon ausgehen, dass er zumindest mit Zugeständnissen François Hollandes an die Adresse der Kräfte links von den Sozialisten rechnet. Mélenchon, Laurent und andere Politiker der Linksfront haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie eine künftige Linksregierung nur mittragen oder gar eigene Minister stellen werden, wenn sie sich mit ihr und ihrer Politik identifizieren können und ihre eigenen Positionen angemessen berücksichtigt sehen.

Auch von den Anhängern der Grünen dürften die meisten für François Hollande stimmen. Diejenigen, die im ersten Wahlgang für den Zentrumspolitiker François Bayrou votiert haben, werden sich im zweiten - für den Bayrou keine Wahlempfehlung geben dürfte - zu etwa gleichen Teilen für Hollande und Sarkozy entscheiden.

Die vom Staatspräsidenten Sarkozy beschworenen »Reserven« können eigentlich nur von den Anhängern der rechtsextremen Front National kommen. Entsprechend hat er in seiner Ansprache am Sonntagabend viel vom »Stolz auf das Vaterland«, von der angeblich nötigen »Eindämmung der Einwanderung« und von den »berechtigten Sorgen« über die Unsicherheit und über die Verschlechterung der Lebenslage der arbeitenden Franzosen gesprochen und sich damit eindeutig an die FN-Wähler gewandt. Allerdings dürfte auch deren Kandidatin vom ersten Wahlgang, Marine Le Pen, keine Wahlempfehlung für die zweite Runde abgeben. Sie stellt Hollande und Sarkozy auf eine Stufe, will »das ganze System verändern« und hat bereits angekündigt, dass sich die Front National als »einzige legitime Opposition« betrachtet, egal, ob künftig Sarkozy oder Hollande regieren werden. Dabei beruft sich die Tochter des Parteigründers Jean-Marie Le Pen auf das »breite Votum der einfachen Franzosen«, das die Wahl vom Sonntag gebracht habe.

Umfragen zufolge werden voraussichtlich 60 Prozent der Le Pen-Wähler am 6. Mai für Sarkozy stimmen und nur 18 Prozent für Hollande. Das würde für Sarkozy nicht reichen, um das Steuer noch in letzter Minute herumzureißen. Angesichts der relativ hohen Beteiligung am ersten Wahlgang kann er auch nicht damit rechnen, noch viele jener Wähler für sich zu mobilisieren, die am Sonntag der Wahlurne ferngeblieben sind. Eine erfreuliche Überraschung war, dass die Zahl derer, die Wahlenthaltung übten, mit 20,5 Prozent geringer als erwartet ausfiel und im Schnitt der vergangenen Jahre lag.

Auf den letzten Plätzen landeten erwartungsgemäß mit einem Stimmenanteil zwischen 1,79 und 0,25 Prozent die Kandidaten der beiden trotzkistischen Parteien NPA und LO sowie von zwei weiteren Splitterparteien.


Zeittafel: Die nächsten Termine

Mit der ersten Runde der Präsidentenwahl hat der Machtkampf in Frankreich erst begonnen. Die nächsten Etappen im Wahljahr 2012 im Überblick:

25. April: Frist für die Veröffentlichung des offiziellen Endergebnisses der ersten Wahlrunde durch den Verfassungsrat

27. April: Offizielle Bekanntgabe der beiden Kandidaten, die in der Stichwahl aufeinandertreffen

6. Mai: Zweite Runde der Präsidentenwahl

11. Mai: Datum, bis zu dem voraussichtlich das offizielle Endergebnis der Präsidentenwahl veröffentlicht wird

15. Mai: Um Mitternacht endet die Amtszeit Nicolas Sarkozys. Voraussichtlich auch Datum der Amtseinführung des neuen Präsidenten

10. Juni: Erste Runde der Wahl zur ersten Parlamentskammer (Nationalversammlung)

17. Juni: Zweite Runde der Wahl zur Nationalversammlung

(dpa/nd)

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