Fünfländerblick übern Bodensee

Unterwegs auf dem neuen Premiumwanderweg »Guck ins Land« im grünen Hinterland des Bodensees

  • Andreas Steidel
  • Lesedauer: 5 Min.
Ruheschaukeln unterwegs laden zur Rast ein.
Ruheschaukeln unterwegs laden zur Rast ein.

Bei Markdorf werden am heutigen Samstag die ersten Premium-Wanderwege am Bodensee eröffnet. Sie heißen »Landgänge« und führen durchs bäuerliche Hinterland. Ein Testlauf über die aussichtsreiche Route »Guck ins Land.«

Ein Apfelschimmel wiehert auf der Weide. Blinzelt in die Mittagssonne, streicht um den großen alten Birnbaum herum, der in der Mitte der Wiese steht. Irgendwo dahinter tuckert ein Traktor über den Hof, es riecht nach frischem Gras, Heu und Pferdeäpfeln.

Mittagspause am Linzgaublick. Auf einer Schaukelliege kann man die Füße von sich strecken. Sich zurückfallen lassen und das Landleben mit allen Sinnen genießen. Hier, sieben Kilometer vom Ufer entfernt, ist der Bodensee ganz nah und doch so weit weg. Keine Spur von den Neubaugebieten und Schnellstraßen, die sich wie ein Gürtel um ihn legen. Als ob ein Kulissenschieber das Landschaftsbild ausgewechselt hätte.

Das erscheint grafisch gut aufbereitet auf einer großen Tafel am Parkplatz Vogelsang in Markdorf-Möggenweiler. Hier beginnt der »Guck ins Land«, einer von drei neuen, vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierten Premium-Wanderwegen, die das Bodensee-Hinterland erschließen. Naturnah und abwechslungsreich sollen sie sein, bequem und gut beschildert natürlich. Die Schaukelliege am Linzgaublick ist nur eines von mehreren Sitzmöbelstücken, auf denen der Wanderer sich zurücklehnen kann.

Der »Guck ins Land« ist ein Rundwanderweg von 15,2 Kilometern Länge. In fünf bis sechs Stunden kann man ihn gut schaffen. 468 Meter Höhenunterschied sind etwas für die mittlere Kondition. Seinen Namen verdankt er dem Umstand, dass man tatsächlich etwas sieht. Den Bodensee zum Beispiel, der sich bereits nach 200 Metern zeigt. Auf dem Dach eines alten Wasserversorgungsgebäudes aus der Kaiserzeit stehen steinerne Sitzbänke. Zwei große Lebensbäume formen ein Panoramafenster, das den Blick ans Ufer lenkt. In der Ferne glitzern Segelboote und die schneeweißen Gipfel der Schweizer Berge.

Der Weg steigt an. Führt durch ein Wäldchen. Passiert den Bauwagen des örtlichen Waldkindergartens. Hochstämmige Fichten und Buchen werfen ihre Schatten, geben den vielen kleinen Hinweisschildern Halt, die die Richtung zum Gehrenbergturm angeben. Nach rund zwei Kilometern ist der metallene Riese erreicht, der wie ein unverdrahteter Hochspannungsmast auf der grünen Wiese steht.

Dass er 1903 als »Großherzog-Friedrich-Turm« errichtet wurde, ist Teil seiner badischen Vergangenheit. Heute trägt Markdorf das Autokennzeichen des württembergischen Friedrichshafen und gehört zu den wenigen Landkreisen, in denen Badener und Württemberger gemischt wurden.

Von der Spitze des Gehrenbergturms sieht man beides: Das württembergische und das badische Bodenseeufer, die Hochhäuser des nahen Friedrichshafen und die rosarote Spitze der Klosterkirche in Birnau. 30 Meter über dem Boden und 740 Meter über Null ist man einsame Spitze. Schwindelfreie und Besitzer eines Fernglases genießen den Rundblick doppelt. Die Pfarrkirche von Markdorf und der Giebel der Bischofsburg sind fast zum Greifen nahe. Selbst die Fassade der Metzgerei ist zu erkennen, in der man gerade seine Wegzehrung eingekauft hat.

Das ist der einzige Nachteil des Guck-ins-Land-Weges, dass er keine bewirtschafteten Hütten hat. Doch mit etwas Bodenseeapfelsaft im Gepäck, frischen Brötchen und Bauernbratwürsten geht es auch so. Über Stock und Stein, geschotterten Waldboden und samtweiche Rindenmulchstrecken, die für den neuen Weg eigens angelegt wurden. Naturnahe Pfade mit Windungen, Abzweigen und Querverbindungen. Mal durch den Wald, mal über eine Wiese oder einen kleinen Weiler mit ein paar Gehöften. Langweilig wird es nie, der Aufwand ist beträchtlich, der hier betrieben wurde, den neuen Weg möglichst abwechslungsreich zu gestalten. So wie es die strengen Vorschriften des Deutschen Wanderinstituts vorschreiben. Ein Premiumwanderweg soll etwas wirklich Neues sein und nicht nur eine umetikettierte Form bereits bestehender Routen.

Dann ist der Zeppelin plötzlich da. Wie aus dem Nichts taucht die weiße Hülle des Luftschiffes zwischen zwei Schäfchenwolken auf und schiebt sich gemächlich am Himmel entlang. Unterbricht das Landleben für einen Moment und holt die Hinterland-Träumer in die moderne Bodenseewelt zurück. Eine Moderne mit einem Schuss Nostalgie, weil Zeppeline eigentlich schon ausgestorben waren und erst seit rund zehn Jahren wieder Touristen spazieren fliegen.

Plötzlich ist das Luftschiff wieder verschwunden, abgetaucht zwischen einem Wäldchen und Hochhäusern. Hier also muss Friedrichshafen sein, die Messe- und die Zeppelinstadt, hier wird der weiße Riese schon in Kürze zu seinem nächsten Rundflug aufbrechen.

Noch 3,7 Kilometer. Der See kommt wieder näher. Einen Fünf-Länder-Blick verspricht die letzte große Erhebung, bevor es zurück nach Markdorf geht. Fünf Länder? Die Schweiz, Österreich, Deutschland und Lichtenstein, aber was dann? »Frankreich«, lautet die offizielle Antwort der Touristinformation, doch wem das zu weit her geholt erscheint, der kann sich einfach auch damit begnügen, dass schon in wenigen Kilometern Bayern beginnt.

Nach fünfeinhalb Stunden ist man tatsächlich wieder zurück. Am Wanderparkplatz Markdorf-Möggenweiler. Ein klein wenig müde, aber eben nur ein klein wenig.

Zeit für einen Spaziergang direkt am Wasser. Füße reinhängen und die Stirn beträufeln. Der Bodensee ganz ohne Bodensee geht halt doch nicht.

  • Infos: Tourismusgemeinschaft Gehrenberg-Bodensee, Marktstr. 1, 88677 Markdorf, Tel.: (07544) 50 02 90, www.gehrenberg-bodensee.de
  • Die »Bodensee Landgänge« sind die ersten vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierten Premiumwanderwege am Bodensee. Sie führen bei Markdorf durchs Hinterland. Die beste Aussicht hat der »Guck-ins-Land« (15,2 Kilometer), am kürzesten ist die Strecke »Bermatinger Waldwiesen« (9,3 Kilometer), am anspruchsvollsten die »Bergtour Höchsten« (16,4 Kilometer). Alle drei sind Rundwanderwege. Mehr unter www.bodensee-landgaenge.de
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