481 Soldaten zeigen »Courage to Refuse«

Die »Refuseniks« verweigern den Einsatz in den besetzten palästinensischen Gebieten

  • Anja Wedell
  • Lesedauer: 4 Min.
Wer dieser Tage die Internetseite www.seruv.org.il aufschlägt, sieht dort groß die Zahl 481 - die derzeitige Anzahl der Unterzeichner der Petition »Courage to Refuse«, die damit ihren Dienst für die israelische Armee in den besetzten palästinensischen Gebieten verweigern.
Die Zahl 481 mag angesichts der allein 400000 Männer und Frauen umfassenden israelischen Reservearmee nicht sehr groß sein. Dennoch hoffen die »Refuseniks«, wie sie sich selbst nennen, dass die psychologische Wirkung ihrer Aktion für die israelische Gesellschaft umso stärker ist. Obwohl ihre Dienstverweigerung auch eine politische Aussage ist, betrachtet sich »Courage to Refuse« (Mut zur Verweigerung) nicht als eine politische Organisation und will auch nicht als solche verstanden werden. Dafür sind die politischen Ansichten der einzelnen Unterzeichner zu unterschiedlich. Die »Refuseniks« - die zuletzt hinzugekommenen auf der Liste sind der Fallschirmjäger-Sergant Gilad Cohen und der Luftwaffen-Leutnant Dan Zeltzer - eint die Überzeugung, dass der Krieg in den palästinensischen Gebieten ungerecht ist. Ihre Hauptarbeit besteht in der Erläuterung ihrer Position, denn der Großteil der Bevölkerung Israels teilt ihre Meinung nicht. Der dreijährige Grundwehrdienst für Männer und Frauen in den Israeli Defence Force (Israelische Verteidigungsstreitkräfte - IDF) ist ein gesellschaftlich anerkannter Grundpfeiler israelischer Sicherheitspolitik. Viele Wehrdienstleistende verpflichten sich nach Ablauf dieser Zeit für weitere Jahre als Freiwillige in der Armee, als Offiziere oder Reservisten, und gerade in Kriegszeiten wird dieser Militärdienst als gesellschaftliche und patriotische Pflicht empfunden. Verweigerung wird mit Gefängnis bestraft. Zur Zeit sitzen zwölf Unterzeichner der Petition wegen ihrer Weigerung in Militärgefängnissen, andere Verfahren laufen. Das Unverständnis über die Haltung der »Refuseniks« ist nach wie vor groß, nicht selten schlägt ihnen Hass entgegen. Meldungen über palästinensische Selbstmordattentäter schüren die Ressentiments. Die Antwort der »Refuseniks« lautet: »Wir können nicht erlauben, dass ihre Verbrechen (die der Palästinenser) unsere Dummheit legitimieren. Wir fühlen uns nur für die Aktionen unseres eigenen Landes verantwortlich und können nur gegen diese protestieren, unabhängig von der Schuld oder Nichtschuld der anderen Seite. Weiter darf man nicht dieselben moralischen Kriterien anwenden, wenn man die terroristischen Aktionen der Hamas mit den Militäraktionen eines souveränen Staates wie Israel vergleicht... Die IDF ist keine Untergrundbewegung, die gegen ihre Besetzer kämpft... Auch Ben Gurion löste die Untergrundbewegung nicht auf, bevor er einen Staat in der Hand hatte.« Guy Grossmann ist einer der ersten Unterzeichner der Petition. Nach seinem Grundwehrdienst wurde er Offizier einer Eliteeinheit, diente u.a. drei Monate in Libanon und 18 Monate in den besetzten palästinensischen Gebieten. Heute ist er Reservesoldat mit einer aktiven Dienstzeit von vier bis sechs Wochen im Jahr - eine klassische israelische Biografie. Seinen Weg vom enthusiastischen Neurekruten zur Dienstverweigerung in den besetzten Gebieten beschreibt er als sehr schwierig: »Ich war ein Held und jetzt werde ich gemieden, sogar als Verräter beschimpft. Aber dieser Schritt ist notwendig - nicht nur für mein eigenes Gewissen sondern auch, um die Werte zu schützen, auf denen Israel aufgebaut wurde.« Aus Guy Grossmanns Worten sprechen auch die Liebe zu Israel und das Bemühen um eine Differenziertheit in seinem Verhältnis zu seinem Land. Grossmann und die anderen Unterzeichner wollen Israel auch weiterhin schützen. Deshalb betonen sie in ihrer Petition, dass sie nicht komplett ihren Dienst für die Streitkräfte verweigern und sich an jeder anderen, der Verteidigung Israels dienenden Mission beteiligen werden. Aber die Ungerechtigkeit und das brutale Vorgehen der IDF in den palästinensischen Gebieten wollen sie nicht länger mitmachen. »Courage to Refuse« hat kein Büro und die Unterzeichner arbeiten von zu Hause aus. Sie verbreiten ihre Botschaft per Flugblattaktionen oder via Internet. Es gibt offene Briefe zur Unterstützung der »Refuseniks« mit mehreren hundert Unterschriften und Rückhalt sowie finanzielle Unterstützung durch Sympathisanten in den USA. Aber alles in allem ist es zu wenig, um einen signifikanten Wandel im Bewusstsein der eigenen Bevölkerung und der israelischen Politik hervorzurufen. Assaf Oron, Redakteur der »Refusenik«- Website, rief daher zu internationaler Hilfe auf. »Niemand in Israel kann die nächste Stufe (der Gewalt) verhindern, denn die israelische Demokratie stirbt.... Wenn die Demokratie tot ist, werden ihre Anführer zu Diktatoren und ihre Reichweite unendlich. Die einzigen, die die Reichweite von Scharon jetzt noch eingrenzen können, sind die Demokratien der westlichen Welt.« Bleibt zu hoffen, dass diese den Ruf der »Refuseniks« erhören.

http://www.seruv.org.il/

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