Der versandete Prozess

Kommentar von Roland Etzel

  • Lesedauer: 2 Min.

Wie geht es eigentlich dem Friedensprozess im Nahen Osten? Die leichteste Antwort darauf lautet vielleicht: Er hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Die Älteren werden sich gewiss erinnern. Es gab da einen Dialog, der sehr schwierig begann mit der Bürde von vier heftigen Kriegen. Er entsprang Ende der 80er Jahre gleich einem Wadi in des Orients Wüsten, schwoll vom schüchternen Rinnsal zum starken Strom, Nobelpreisungen und aufmerksames Wohlwollen der ganzen Welt mit sich wissend, um dann, das Meer schon in Sichtweite, dem Wadi-Schicksal gemäß infolge akuten Mangels an neuen Zuflüssen wieder im nahöstlichen Staub zu versickern.

Seit sieben Monaten ruht jede Verhandlungstätigkeit mit den Palästinensern. Israel und sein Mentor USA erklären dies auch offiziell als Strafe für den palästinensischen Antrag, vom UN-Plenum als Vollmitglied anerkannt zu werden. Bei Lichte besehen hat sich damit allerdings nichts Messbares verändert. Es sei denn, man sähe einen Unterschied zwischen keinen Verhandlungen und gar keinen Verhandlungen. Die Leiden, die dieser Zustand der Nichtkonfliktlösung täglich produziert, sind allerdings wie bisher höchst unterschiedlich verteilt. Während sich trotz immer wieder unternommener spektakulärer Aktionen am jammervollen Los der Palästinenser im Gaza-Streifen nichts Wesentliches geändert hat, scheinen die Israelis dabei keinerlei Pein zu verspüren und lassen folglich, sehr positiv formuliert, auch wenig Eifer erkennen, den diplomatischen Totpunkt zu überwinden.

Das möchte nun aber Palästinenserpräsident Abbas, der sich zunächst einmal der Rückendeckung der neuen, deutlich islamischeren Führer in den arabischen Reformstaaten versichert. Es ist verwunderlich, dass es keinen verantwortlichen israelischen Politiker drängt, hier ebenfalls zumindest Dialogbereitschaft anzubieten. Ist es Verantwortungslosigkeit, Überheblichkeit? Glaubt man, wie mit Mubarak auch mit einem demnächst neuen ägyptischen Präsidenten einen Deal zum Nachteil der Palästinenser machen zu können? Das anhaltende Feldgeschrei in Richtung Iran, das laute Nachdenken über neue Mauern - diesmal im Norden - und die muntere Mediendebatte, ob israelische »Siedler« auf privatem palästinensischen Land nun ihre Häuser bauen dürfen oder nicht, lassen für Vernunft momentan offenbar wenig Raum.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal