Werbung

Drei Königsmacher an der Kieler Förde

Wer regiert Schleswig-Holstein? Von »Dänen-Ampel« über Große Koalition bis Jamaika ist manches möglich

  • Folke Havekost und Volker Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Schwieriges Schleswig-Holstein: In Kiel gibt es gleich drei Kandidaten für den Königsmacher-Posten - der Grüne Robert Habeck, Freidemokrat Wolfgang Kubicki und SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk.

Punkt 18 Uhr, Landeshaus an der Kieler Förde, die Prognosen von ARD und ZDF laufen über die Bildschirme: Freude bei der CDU, Enttäuschung bei der SPD, Jubel bei FDP, Grünen und Piraten. Vor allem aber Ungewissheit und viele offene Fragen. Große Koalition, Jamaika, die klassische Ampel oder die »Dänen-Ampel« - gleich vier Koalitionsmodelle sind nach dem Wahlergebnis theoretisch möglich.

SPD-Spitzenmann Thorsten Albig zeigte sich entschlossen, den knappen 35:34-Mandatsvorsprung von SPD, Grünen und SSW zu nutzen. Der Kieler Oberbürgermeister nannte das Modell »Schleswig-Holstein-Ampel«, um Vorbehalten gegen ein Mitregieren der dänisch-friesischen Minderheitsvertretung zu begegnen. »Die Mehrheit reicht, um einen Ministerpräsidenten zu wählen«, erklärte er, als die erste Enttäuschung aus seinem Gesicht gewichen war. Bei seinem Auftritt gegenüber seinen Parteifreunden fuhr er sich über die Stirn, gab zu: »Das war nicht das, was ich euch versprochen habe. Aber das, was wir wollen, können wir noch erreichen.« Sein innerparteilicher Rivale, der Landesvorsitzende, Ralf Stegner huschte schon früh mit grimmiger Miene durch die Flure: »Das ist spannender, als wir das erhofft haben.«

Dennoch könnte Albig Ministerpräsident werden - auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Monika Heinold, warb für die »Dänen-Ampel«: »Es geht nicht darum, unbedingt zu regieren, sondern das Land anders zu gestalten. Wir wollen gemeinsam mit der SPD regieren.« Gegenüber einer Jamaika-Koalition zeigte Heinold sich skeptisch. Die Grünen seien »inhaltlich sehr, sehr weit entfernt von CDU und FDP«. Der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck hatte in der Opposition lange gleiche Distanz zu CDU und SPD gehalten. CDU-Wahlkampfangriffe auf die Grünen hatten das Verhältnis zu den Christdemokraten zuletzt stark getrübt.

Die Union fühlt sich als Sieger. »Die Stimmung ist gut, die Ergebnisse sind knapp, aber wir liegen vorne«, unterstrich CDU-Kandidat Jost de Jager seinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten: »Schleswig-Holstein braucht stabile Verhältnisse, deshalb werden wir mit allen in Frage kommenden Parteien Gespräche führen«, kündigte de Jager an.

Größter Verlierer und größter Gewinner war dieselbe Person: FDP-Querdenker Wolfgang Kubicki. Angesichts der schwachen Umfragewerte konnte auch der Verlust von knapp der Hälfte der Stimmen den FDP-Fraktionsvorsitzenden nicht schocken. Acht Prozent hatten die wenigsten den Liberalen zugetraut. »Ein unglaublicher Erfolg dieser Landespartei«, jubelte Kubicki bei der FDP-Wahlfeier. Im schwarzen Hemd empfahl er seiner Partei, »nicht an den Tag zu denken, sondern an die Perspektive«. Den Grünen riet er dies auch: »Jamaika wäre möglich, die Grünen haben in den letzten zwei Jahren gelernt, wie wichtig solide Haushaltspolitik ist.« Deren Spitzenmann Habeck konterte jedoch: »Wenn ich an Regierung denke, denke ich nicht an die FDP.«

Die Piraten setzten ihren Siegeszug mit einem Ergebnis von über acht Prozent fort. »We are the Champions«, jubelten die Anhänger im Kieler Kulturzentrum »Pumpe«. Ins Landeshaus durften die Freibeuter noch nicht, das wird sich nun ändern. »Wir wollen mit offenen Fraktionssitzungen anfangen und im Innen- und Rechtsbereich Akzente setzen«, kündigte der Spitzenkandidat Torge Schmidt an.

Die LINKE erlebte dagegen ein Debakel und verpasste den Wiedereinzug in den Landtag. Sie blieb sogar deutlich hinter dem von der Fünf-Prozent-Hürde befreiten SSW zurück, der sich zur Frage einer Regierungsbeteiligung zurückhaltend äußerte. »Wir haben zugelegt, hatten unser Ziel aber höher gesteckt«, räumte Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk ein: »Der Politikwechsel ist noch drin. Wir werden uns in aller Ruhe damit auseinandersetzen, wenn wir die konkreten Zahlen vor uns haben.«

Der Stachel der Ereignisse vor sieben Jahren sitzt immer noch tief. Schon 2005 hatten sich SPD, Grüne und SSW mit einer 35:34-Mehrheit zur Wiederwahl der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis verabredet, in vier Wahlgängen gab es aber jeweils eine Enthaltung des »Heide-Mörders«. Seitdem regiert der scheidende CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das nördlichste Bundesland.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal