Das Volk hat die Dinge geändert

Linkspartei SYRIZA spricht von der »Botschaft einer friedlichen Revolution«

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Wahldebakel der beiden bis dato stärksten Parteien in Griechenland sehen diese ihre Vorstellungen einer relativ bequemen Regierungsbildung vorerst durchkreuzt. Dem Vernehmen nach wollte Präsident Karolos Papoulias am gestrigen Montag den Vorsitzenden der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, damit beauftragen. Die erstarkten Gegner des Griechenland aufgezwungenen Spardiktats in die Kabinettsbildung einzubeziehen – daran möchte die etablierte politische Klasse in Athen nicht einmal denken.

Alexis Tsipras hatte allen Grund zur Freude. Die von ihm als Spitzenkandidaten vertretene Linksallianz SYRIZA ist die eindeutige Siegerin der griechischen Parlamentswahlen vom Sonntag. Mehr als eine Million Wähler gaben SYRIZA ihre Stimme und katapultierten die Linksallianz damit von 4,6 Prozent im Jahre 2009 auf 16,8 Prozent und Platz 2 der im neuen Parlament vertretenen Parteien. In der fast ein Drittel der Wähler stellenden, die Hauptstadt Athen einschließenden Provinz Attika sowie in der zweitgrößten Stadt Thessaloniki wurde SYRIZA sogar stärkste Kraft. Die Wähler hätten die »Botschaft einer friedlichen Revolution« verkündet, erklärte Tsipras unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses. »Die europäischen Führungen und insbesondere Frau Merkel sind verpflichtet zu begreifen, dass ihre Politik, die Austeritätspolitik, eine vernichtende Niederlage erlitten hat.«

Eine griechische Linksregierung scheitert dennoch zum einen an den fehlenden Partnern, denn sowohl die Kommunistische Partei Griechenlands (26 Sitze), als auch die Demokratische Linke (19 Sitze) haben eine Koalition mit SYRIZA (52 Sitze) ausgeschlossen, zum anderen an der Mandatszahl der Linken, die insgesamt auf 97 Sitze kommen.

Aber auch die beiden stark geschrumpften ehemaligen Regierungsparteien werden Schwierigkeiten haben, eine Parlamentsmehrheit zu finden. Als stärkster Partei fallen der Nea Dimokratia (108 Sitze insgesamt) zwar die 50 Bonussitze im 300-köpfigen Parlament zu, zusammen mit der PASOK (41 Sitze) werden die erforderlichen 151 Mandate für eine einfache Mehrheit jedoch knapp verfehlt. »Ich habe um eine klare Mehrheit gebeten, das griechische Volk hat jedoch anders entschieden«, begründete Antonis Samaras noch in der Wahlnacht die Rücknahme seiner im Wahlkampf als »unumstößlich« bezeichneten Aussage, für keine wie auch immer geartete Koalition zur Verfügung zu stehen. Er kündigte Gespräche mit »allen Kräften« an, »die für den europäischen Weg des Landes und die Notwendigkeit einer Änderung der Wirtschaftspolitik einstehen«.

Neben der PASOK kämen dafür auch die Unabhängigen Griechen (AE) von Nea-Dimokratia-Aussteiger Panos Kammenos in Frage. Auf eine entsprechende Frage von Journalisten antwortete der AE-Chef Sonntagnacht jedoch, seine Worte, er stünde nicht einmal »als Toter« für eine solche Koalition zur Verfügung, hätten »ewige Gültigkeit«. »Wir arbeiten nicht mit Kollaborateuren zusammen, wir koalieren nicht mit den Agenten der Banker.«

»Das griechische Volk hat die politischen Verhältnisse des Landes heute grundlegend geändert«, lautete der erste Kommentar des Vorsitzenden der PASOK zum Ergebnis. »Wir respektieren seine Entscheidung«, fügte Evangelos Venizelos hinzu. Das Volk hätte weder einer einzelnen Partei noch »einer Koalition europafreundlicher Kräfte« die Mehrheit gegeben, konstatierte der PASOK-Chef. »Sinnvoll ist deswegen eine Regierung der nationalen Einheit, unter Beteiligung ausnahmslos aller Kräfte, die auf die eine oder andere Weise ihre europäische Perspektive bekunden, unabhängig von ihrer Haltung gegenüber dem Memorandum und den Schuldenvereinbarungen.«

Mit den Faschisten der Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), die mit 21 Sitzen erstmalig ins Parlament eingezogen sind, will keine andere Partei zusammenarbeiten. Die bekennenden Hitlerverehrer und gewalttätigen Rassisten lieferten bereits einen ersten Eklat, als die Schergen von Parteichef Nikos Michaloliakos die Journalisten beim Auftritt des »Führers« zum Aufstehen aufforderten, worauf die griechischen Medienvertreter unter Protest den Saal verließen und nur eine Reihe ausländischer Kollegen, entweder wegen Nichtverstehens oder Akzeptanz dieser Forderung nach einer Ehrenbezeigung, zurückblieben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal