Werk, Würde

Wolfgang Engler 60

  • Lesedauer: 2 Min.

Seine Studenten kämpfen derzeit. Sie eroberten sich protestierend die Bühne des Berliner Theatertreffens, noch bevor der Staatsminister es eröffnete. Sie kämpfen um einen gefährdeten Gebäudeplan und zugleich um mehr. Sie ringen atemstark um Werk und Würde - und um den qualitätsgemäßen Erhalt der traditionsreichen Institution. Einbruch des Lebens in die Spielereien. Der Direktor dieser Studenten - der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« - ist Soziologe, und auch seine Bücher sind Einbruch, nämlich der Erfahrung in die Selbstgewissheit politischer Phraseologie.

»Die Ostdeutschen«, »Die Ostdeutschen als Avantgarde«,»Bürger, ohne Arbeit« - nur drei von zahlreichen Studien, in denen der Wissenschaftler auf geradezu erzählende Weise die Geschichte des sozialen Alltags in der DDR und ihren territorialen Glühresten aufruft. Auf frappierend kluge, so belesene wie selbstschöpfende Weise rehabilitiert Engler den Ruf jener Arbeits-Gesellschaft im Osten, die mit dem geschichtlichen Abschlussurteil (marode Wirtschaft!) jedes Recht zu verlieren schien, als sinnstiftend und persönlichkeitsbildend zu gelten.

Der von ihm geprägte Begriff des »arbeiterlichen« Staates fasste auf soziologischer Ebene, was man poetisch in Gedichten, in Prosa (»Flickwerk«) und Dramen Volker Brauns (»Kipper Paul Bauch«) findet oder filmisch bei Jürgen Böttcher: Es ist da ein werk-tätiges Selbstbewusstsein, das seine lebensbejahenden Impulse aus praktischen Beziehungen bezieht, die nicht jenseits, sondern inmitten der Betrieb-samkeit stattfinden - Arbeit ist etwas anderes als Job. Und gelingende Existenz möge an eine Freiheit gebunden sein, die sich im nötigen Gelderwerb nicht sinn- und seelenentfremdet verschleißen muss.

Engler, 1952 in Dresden geboren, wird heute 60. hds

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