nd-aktuell.de / 11.05.2012 / Politik / Seite 2

Wir brauchen Verlässlichkeit

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff setzt auf eine grundlegende Überarbeitung der Pläne

Mindestens drei ostdeutsche Landesregierungen werden heute im Bundesrat gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung bei der Solarförderung stimmen: Brandenburg sowie die beiden CDU-geführten Großen Koalitionen in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Gerade der Magdeburger Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte in den vergangenen Wochen die Pläne mit Blick auf die heimische Solarindustrie scharf kritisiert. Der 58-jährige CDU-Politiker ist seit gut einem Jahr Regierungschef und war zuvor Wirtschaftsminister des Landes.

nd: Welche Folgen befürchten Sie für den Solarstandort Sachsen-Anhalt, sollten die Förderkürzungen den Bundesrat passieren?
Haseloff: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll jetzt zum vierten Mal verändert werden. Das führt zu Verunsicherungen und zur Streichung von Aufträgen für bereits geplante Projekte. Bleibt es dabei, dass beispielsweise die Förderung von Anlagen zwischen 10 und 100 Kilowatt unter den Tisch fällt, kann das dauerhafte Auftragseinbrüche zur Folge haben.

Lässt sich beziffern, wie viele Arbeitsplätze in Ihrem Land akut gefährdet wären?
Wir haben in Sachsen-Anhalt circa 3800 Arbeitsplätze im unmittelbaren Bereich der Solarindustrie. Die Anzahl der akut gefährdeten Arbeitsplätze zu beziffern wäre reine Spekulation, an der ich mich nicht beteiligen werde.

Inwieweit verschärft die Diskussion um die Solarförderung die ohnehin schwierige Lage von Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen und wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?
Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Solarförderung. Das ist wichtig für potenzielle Investoren, aber auch für die Unternehmen der Solarindustrie. Diese Verlässlichkeit fehlt derzeit und beeinträchtigt natürlich auch die Entwicklung bei Q-Cells. Allerdings bin ich zuversichtlich, was die weitere Zukunft des Unternehmens betrifft. Alle Informationen deuten darauf hin, dass ein Neustart aus der Insolvenz gelingt und die vorhandenen Arbeitsplätze erhalten werden können.

Sie hatten vor einigen Wochen von Bundesumweltminister Norbert Röttgen mit Blick auf die heutige Bundesratsabstimmung »deutliche Signale« gefordert, dass »die erneuerbaren Energien vor allem an Produktionsstandorten eine Chance haben«. Haben Sie solche Signale mittlerweile empfangen, etwa kürzlich beim Treffen des Ministers mit Ihnen und Ihren Ministerpräsidentenkollegen aus Sachsen und Thüringen?
Wir haben am vergangenen Montag ein konstruktives Gespräch mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen geführt. Die Gespräche werden fortgesetzt.

Wie wird Sachsen-Anhalt am Freitag im Bundesrat stimmen? Und mit welchem Ergebnis rechnen Sie bei der Abstimmung: Kommt das Gesetz durch, geht es in den Vermittlungsausschuss oder wird es gar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gestoppt?
Sollte es nicht zu Korrekturen am vorliegenden EEG-Entwurf kommen, werden wir den Vermittlungsausschuss anrufen.

Ihr Parteifreund Norbert Röttgen steht in der Schlussphase des Wahlkampfs in Nordrhein-Westfalen. Eine Abstimmungsniederlage in der Länderkammer würde ihm nicht gerade helfen. Werden Sie gedrängt, für Ihre Partei das Länderinteresse hintanzustellen?
Als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt ist es meine Aufgabe, die Interessen unseres Bundeslandes in der Länderkammer zu vertreten. Etwas anderes erwartet meine Partei auch nicht von mir.

Wird es eigene Vorschläge des Landes Sachsen-Anhalt für den Vermittlungsausschuss geben, und wenn ja: Was werden diese im Kern beinhalten?
Wir haben uns in der Landesregierung darauf verständigt, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung ablehnen werden.

Sie hatten das Vorgehen bei dieser EEG-Novelle kritisiert. Die Verschärfung der Förderkürzungen, die gerade eine der wenigen Zukunftsbranchen trifft, die sich nach der Wende im Osten angesiedelt haben, wurde vom Bundesumwelt- mit dem Bundeswirtschaftsminister ausgemacht und im Eiltempo auf den Weg gebracht. Ärgert es Sie, dass mit den Ländern mit Produktionsstandorten vorher nicht einmal gesprochen wurde?
Natürlich ist auch mit uns gesprochen worden. Unsere Argumente sind lediglich noch nicht in dem Umfang berücksichtigt worden, wie wir es für notwendig halten. Deshalb werden die Gespräche ja auch fortgesetzt.

Fragen: Hendrik Lasch und Kurt Stenger