Bücherkisten als Gastgeschenke

In Staucha ist die Peter-Sodann-Bibliothek für DDR-Literatur eröffnet worden

  • Hendrik Lasch, Staucha
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach zwei Jahren harter Arbeit hat der Schauspieler Peter Sodann seine DDR-Bibliothek in Staucha eröffnet.
Peter Sodann hat noch Platz im Regal
Peter Sodann hat noch Platz im Regal

Zu Eröffnungsfeiern bringen Gäste üblicherweise Blumensträuße mit. In Staucha schleppten die Besucher am Samstag Bücherkisten. Die Geschenke waren höchst willkommen: Im früheren Rittergut der Gemeinde in der Lommatzscher Pflege (Landkreis Meißen) wurde die Peter-Sodann-Bibliothek eröffnet. Sie sammelt Bücher, die zwischen 1945 und 1989 in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR erschienen sind. Nach rund zweijähriger Arbeit wurde die Bibliothek mit einem Hoffest feierlich eingeweiht.

An Büchern herrscht in Staucha schon jetzt kein Mangel. Die Regale auf dem Dachboden des Ritterguts sind bereits gut gefüllt; rund 180 000 Bände, so erfuhren die Teilnehmer von Führungen am Eröffnungstag, sind bisher sortiert, im Katalog erfasst und nach Verlagen geordnet aufgestellt. Das Spektrum reicht von renommierten Häusern wie Volk und Welt oder Dietz bis zu eher unbekannten Verlagen wie dem Hallenser Fliegenkopfverlag oder dem Verlag der Kasernierten Volkspolizei, der 1956 ein Werk des chinesischen Autors Lu Tschu-Kou mit dem Titel »Der Mensch ist stärker als Eisen« herausbrachte.

Während dieses Buch bereits einen Platz auf den Regalen erhalten hat, lagern Zigtausende weitere Bände von Cervantes über Kästner bis Marx noch in Bananenkisten, die sich in den Räumen der Bibliothek türmen, aber auch in einem Gebäudeflügel, der nach den Wünschen Sodanns später einmal ein Hoftheater beherbergen soll. Schon jetzt gibt es ein Antiquariat, in dem nicht benötigte Bücher verkauft werden. Dessen Erlös soll die Kosten der Bibliothek decken helfen.

Für den 75-jährigen Sodann, der als Kommissar in der ARD-Krimiserie »Tatort« bekannt wurde und auf Vorschlag der LINKEN auch einmal Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten war, geht mit der Eröffnung eine Odyssee zu Ende. Als Leiter eines Theaters in Halle rettete der Schauspieler Bücher aus den Beständen ehemaliger DDR-Bibliotheken vor der Vernichtung. Sie wurden zunächst in Halle und später in Merseburg gelagert. Die Suche nach einem dauerhaften Quartier war aber erst Ende 2009 in Staucha erfolgreich. Bürgermeister Peter Geißler erinnerte sich am Samstag daran, wie er auf einen Hilferuf Sodanns antwortete. Der Schauspieler kam in die Lommatzscher Pflege und überzeugte auch den Gemeinderat von der Idee. Dieser habe »einstimmig für das Vorhaben gestimmt«, sagte Geißler. Seither wurde hart gearbeitet. Neben vielen Arbeitsstunden flossen etwa 300 000 Euro in den Ausbau des Ritterguts, davon gut 137 000 Euro EU-Mittel. Zudem wirbt Sodann emsig um Spenden für das ambitionierte Unterfangen.

Abgeschlossen sind die Arbeiten noch lange nicht. Bei der Eröffnungsfeier, zu deren Gästen Schriftsteller wie der Satiriker Ernst Röhl, Verleger wie der Berliner Christoph Links und die LINKE-Politiker Gregor Gysi und Dieter Dehm gehörten, räumte Sodann ein, sogar kaum Zeit für die Vorbereitung eines Programms gehabt zu haben. Auch der Bürgermeister sagte, die Eröffnung sei zwar »ein wichtiger Meilenstein«. Doch sei für den weiteren Ausbau der Bibliothek »noch viel Arbeit und Geld« notwendig. Auf der literarischen Landkarte habe sich der 752 Jahre alte Ort aber schon jetzt einen Platz erobert, freut sich Geißler. In einigen Jahren, fügte er an, wolle man dann als »Bücherdorf Staucha« bekannt sein.

Wie viele Menschen tatsächlich den Weg in das verträumte Dorf in der sehr ländlichen Gegend finden, bleibt abzuwarten. Zwar sind es nur rund 15 Kilometer bis Meißen; für eine schnelle Visite liegt Staucha aber etwas zu abgelegen. Sodann träumt von einem Hotel, in dem sich Bücherliebhaber, Wissenschaftler und Studenten mit einem Faible für DDR-Literatur einquartieren könnten. Er selbst ist inzwischen nach Staucha gezogen.

Warum er seiner Bibliothek so nahe sein möchte und auch anderen den Besuch ans Herz legt, erklärte er bei der Eröffnungsfeier. Bibliotheken, gab Sodann zu bedenken, seien Orte, an denen die Menschen eine »Chance bekommen, das Leben und sich selbst zu erkennen«. Solcherart Erkenntnis ist ab sofort auch in der Lommatzscher Pflege möglich - ungestört und ausreichend fern vom hektischen Weltgetriebe.

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