Eleganz und Langeweile

Die Kunstbibliothek zeigt die Ausstellung »Dodo - ein Leben in Bildern«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Welch ein Leben, das der Dörte Clara Wolff. In großbürgerlichen jüdischen Verhältnissen kam sie 1907 in Berlin zur Welt, fasste nach Ausbildung an der damals renommierten Schule Reimann ab 1926 rasch als Kostümzeichnerin und Modegrafikerin Fuß. Schon jene 16 Entwürfe der Studentin für Fantasiekostüme, die sie 1929 der Kunstbibliothek schenkte, verraten Geschmack und Gespür, vom Frackdesign über Harlekin- und Folkloreverarbeitung bis zur Abendtoilette der Grande Dame. Da nannte sie sich schon Dodo, behielt diesen Künstlernamen bis zum Tod 1998 in London bei. Ihre Hochphase hatte sie allerdings bis zur Emigration 1933, besonders als Illustratorin für den »ULK«, das Berliner Tageblatt für Humor und Satire, dessen wöchentliche Farbbeilage sie mit wundervollen Gouachen ausstattete.

Erstmals seit der Übereignung zeigt die Ausstellung »Dodo - Ein Leben in Bildern« in der Kunstbibliothek nicht nur die 16 studentischen Arbeiten, sondern präsentiert mit gut 120 Exponaten Dodos Oeuvre überhaupt zum ersten Mal in geschlossener Form.

Stammen aus der frühen Zeit auch Entwürfe für Parfüm und Hüte, bestaunt man speziell die Modeblätter mit jenem langgezogenen, schmalgliedrigen Frauentyp im Nachmittagskleid, Tagesensemble, Tanzkleid mit der tiefen Taille des Charlestonstils, Cape aus Pelz, und im Schwung des Art Déco. Konfektioniert mögen die Gesichter sein, vom Lebensgefühl dieser Ära fangen die meist in Tusche ausgeführten Arbeiten dennoch viel ein, etwa wie die Dame emanzipiert raucht oder lässig auf einer Ottomane lagert. Als Traum in Rotweiß hält Dodo 1929 ein Tanzpaar mit spanischem Kolorit fest, hatte bereits drei Jahre zuvor als »Neger Revue« Josephine Baker porträtiert: im türkisfarbenen Kleid, darüber ein glattroter Mantel mit Weißpelz, auf den schlanken Händen dekorativ je ein Ring.

Tanz wird noch mehrfach auf den Blättern auftauchen, so Josephine Baker 1937, wogend mit dem berühmten Bananengürtel; doch auch wenn die Arbeiten »nur« Lebensgefühl spiegeln, wirken sie in ihrem Esprit und ihrer Stilsicherheit tänzerisch. Dodo umreißt die Körper mit klarer Linie, füllt die Entwürfe mit leuchtenden Farben, erreicht Kunstwerke von oft funkelnder Ironie.

Unumschränkt trifft das auf die großformatigen Illustrationen für »ULK« zu. Sie gliedern sich jeweils einem Text ein, tragen prononcierte Unterschriften, entlarven in Bild und Kommentar das stupide Leben einer eleganten, gelangweilten Oberschicht, fangen damit die Atmosphäre der späten Weimarer Republik ein. So blickt der Mann mit Fernglas auf die Bühne, seine mondäne Begleiterin hält im Saal Ausschau: Wozu gehe sie schließlich ins Theater? Skurril Überdrehtes findet sich da wie die Dame, die beim Anblick von Feuerwerk an den stets abgebrannten ersten Galan denkt, oder jene, die in der Loge zwar mit einem reichen Alten sitzt, aber auf eine echte Versuchung wartet.

Auch die Straßenszenen mit aufgedonnerten Frauen glühen in ihren Farben, erreichen etwa im Blatt »Geldfragen«, einer von Schwarzen in Livree flankierten Hoteltreppe, einen künstlerischen Standard weit über den Zweck hinaus. Als die Weltwirtschaftskrise 1929 die Zusammenarbeit mit »ULK« beendet, liefert Dodo kleinere Tuschen jüdischen Zeitungen zu, so zu biblischen Sujets wie Moses am brennenden Dornbusch, im Comicstil die Vertreibung aus dem Paradies. Hellsichtig: »Juden sehen sich um« 1933, der Mann mit den drei Körpern, voller Misstrauen und Angst.

Was folgt, ist Lebenstragik. Dodo wird im Londoner Exil nicht wieder das Feuer, die handwerkliche und inhaltliche Sprengkraft ihrer Berliner Arbeiten erreichen. Gelegenheitsaufträge halten sie über Wasser, Entwürfe für Buchumschläge und Grußkarten, ein Kinderbuch. Private Probleme setzen ihr zu: Die verheiratete Frau mit zwei Kindern trifft auf die Liebe ihres Lebens, wird sich fortan zwischen beiden Männern aufreiben, ihre Konflikte in einer Schweizer Psychoanalyse zu bewältigen suchen. Was sie dort in häufig greller Farbigkeit malt, nennt sie »unbewusste Traumbilder«, mit Titeln wie »Schuld«, »Verflucht«, »Anklage«, »Im Sturmwind Gottes«, und kündet von den inneren Zerwürfnissen der einst selbstbewussten Frau.

Erst ab den 50er Jahren findet sie in Akten, Porträts, Wohnmotiven, Stickbildern, Gobelins wieder zu innerer Ruhe, wenngleich ohne die Kühnheit des Beginns.

Bis 28.5., Kunstbibliothek, Matthäikirchplatz 6, Tiergarten

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