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Nach Demo: Abschiebung

In Spanien sind Arbeitsmigranten besonders von den Sparmaßnahmen betroffen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Krise in Spanien beeinflusst die Migrationsströme des Einwanderungslandes: Während Ausländer drangsaliert werden, zieht es viele Spanier zum Arbeiten ins Ausland.

Eigentlich wollte José nur demonstrieren gehen. Seit seiner Ankunft auf Lanzarote mischte sich der gebürtige Uruguayer kaum ins politische Geschehen der spanischen Urlaubsinsel ein. Zehn Jahre arbeitete er für sich und seine Tochter, fühlte sich als echter »Canario«. Doch dann kam das böse Erwachen. Nach einer Demonstration Ende des Jahres gegen ein Ölprojekt im Ferienparadies kassierte José zunächst eine 400-Euro-Strafe, jetzt flatterte ein Abschiebungsbescheid in seinen Briefkasten. »Die Abschiebungen von Migranten sind schon seit langem mit besonderer Härte in vollem Gang«, berichtet das Nachrichtenportal »La República«. Jetzt aber gehe Spaniens konservative Regierung einen Schritt weiter und beginne »alle die abzuschieben, die an Protesten teilgenommen haben«, so das Blatt.

Spanien steckt in der schwersten Wirtschaftskrise der jüngeren Geschichte. Die Arbeitslosigkeit ist mit 5,5 Millionen Jobsuchenden auf Rekordhoch, das Land befindet sich mitten im Sturz in die Rezession. Die über fünf Millionen Einwanderer bekommen die Krisenfolgen besonders zu spüren. Mit einem Migrantenanteil von über zwölf Prozent ist die iberische Halbinsel klassisches Empfängerland von Arbeitssuchenden aus aller Welt. Diese kommen vor allem aus Südamerika, aber auch aus Rumänien, Bulgarien, Marokko und von der britischen Insel.

Am härtesten trifft der wirtschaftliche Niedergang des 47-Millionen-Einwohner-Landes die schätzungsweise halbe Million Menschen, die über den offiziellen Status »weder registriert noch Bewohner Spaniens« verfügen. In diesen rechtlosen Status werden Experten zufolge immer mehr Migranten getrieben. Waren zu Krisenbeginn 2007 offiziellen Angaben zufolge 314 000 Menschen ohne Papiere, so sprang deren Zahl 2010 auf 483 000, Tendenz weiter steigend. Grund sind verschärfte Arbeitsrechtsbestimmungen, warnen Immigrantenverbände. Von den fast 900 000 in Spanien arbeitenden Rumänen etwa fordert Madrid wieder eine Arbeitserlaubnis, ungeachtet der EU-Mitgliedschaft des Balkanlandes. Auch Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien haben sich auf diese Maßnahme verständigt.

Den letzten Schlag wird den Migranten mit der jüngsten Verschärfung im Krankenversicherungsschutz versetzt. Ab 1. September werden alle Migranten ohne Papiere aus der staatlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, nachdem Gesundheitsministerin Ana Mato im Rahmen von Einsparungen im Gesundheitssystem medienwirksam gegen »Versicherungstourismus« und »Betrug« durch Ausländer Stimmung gemacht hatte. So wird der Nachweis eines Wohnortes und einer sozialversicherten Anstellung für die Ausstellung der Versichertenkarte Pflicht, was Generalsekretär Alfredo Pérez Rubalcaba von der sozialistischen Ex-Regierungspartei PSOE als »fremdenfeindlich, brutal und ineffektiv« verurteilt. Die Kürzungspolitik zeige die »soziale Insensibilität« der neuen Regierung und werde dazu führen, dass »Erkältungen in der Notaufnahme enden«.

Derweil suchen immer mehr Spanier Arbeit im Ausland. Laut jüngsten Erhebungen des Nationalen Institut für Statistik (INE) leben heute 1,8 Millionen Spanier im Ausland, ein Anstieg von 23 Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Krise. Folglich haben sich die Geldüberweisungen von Spaniern in ihr Heimatland spürbar erhöht, mit 7,5 Milliarden Euro um sechs Prozent gegenüber 2010. Und auch das ist ein Krisenphänomen: Erstmals seit vier Jahren veröffentlicht das Nationale Statistikinstitut (INE) eine Statistik über Arbeitsmigration von Spaniern.

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