Leben im Plattenbau

Nach »Bamboule uffn Platz« meldet sich Theaterregisseurin Franziska Naumann-Gashi mit dem neuen Jugend-Projekt »Die Show« wieder

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Für »Bamboule uffn Platz«, genauer: auf dem Alexanderplatz, sorgte letzten Sommer die Theaterregisseurin Franziska Naumann-Gashi mit einer singenden und spielenden Truppe Straßenjugendlicher. Dieses Frühjahr nun läutet die unermüdliche Theaterfrau Teil zwei des »Bamboule«-Projekts ein - ab 25. Mai zeigen junge Leute aus Marzahn-Hellersdorf und Mitte vor Ort »Die Show«.

Rund 20 Jugendliche machen mit bei dem Stück, ein Mix aus Musik, Tanz und Theater, in dem es um Gentrifizierung geht und um das Leben in der Plattenbausiedlung; für den roten Faden sorgen Motive aus Wolfgang Herrndorfs preisgekröntem Jugendroman »Tschick«, der die Freundschaft zwischen einem jungen Russen und einem wohlstandsverwahrlosten Deutschen beschreibt.

Noch wird geprobt. Eigentlich sollten die meisten bis 16 Uhr im Jugendzentrum Anna Landsberger eingetroffen sein, einem graffitibesprühten Bau mit viel Platz auf der grünen Wiese, doch schließlich legen Franziska Naumann-Gashi und Choreograph Andreas Uehlein erst mal mit fünf Leuten los.

Bewegungstraining, Lockerungsübungen stehen auf dem Plan, doch Rudi, der den Tschick spielt, macht nicht mit. »Ich komm’ mir blöd vor«, murmelt er. Längere Debatten entstehen, »Du machst das ganze Stück lächerlich!«, ruft die Regisseurin irgendwann entnervt, und irgendwie geht es dann doch weiter. Obwohl Saskia lieber die Songs proben würde, Rachid, der den Lehrer spielt, zu leise ist, und René sich verhaspelt: Franziska Naumann-Gashi, Künstlername Franziskaos, bleibt locker und geduldig, korrigiert hier, gibt dort Tipps, und beim zweiten Durchgang ahnt man, dass da ein richtig gutes Stück entstehen kann - nicht perfekt, aber nah dran am Kosmos Marzahn-Hellersdorf, der aus völlig unterschiedlichen Menschen besteht.

Und dann tauchen, mit zwei Stunden Verspätung, endlich Tina und Tanja auf - die beiden mussten nach der Schule noch in den Asia-Restaurants der Eltern aushelfen. »Ein ganz schöner Stress, den die hier alle haben«, seufzt die Regisseurin.

Obwohl Franziska Naumann-Gashi ein quirliger, optimistischer Mensch ist, hört man doch heraus, dass die Vorbereitungen diesmal besonders schwierig waren. Bisher hat die Gründerin des soziokulturellen Theaters Göttliche Samen mit psychisch vorbelasteten Jugendlichen und Behinderten gearbeitet, hat also Erfahrung mit lang andauernden Probenprozessen.

Diesmal jedoch wäre das Projekt fast schon im Ansatz gescheitert, so schwierig war es, in den zerdehnten Plattenbausiedlungen Jugendliche zu finden, die Lust auf Theater haben und die Disziplin aufbringen, zweimal wöchentlich zu üben. Zwar trafen Naumann-Gashi und ihr Team, die sich im Winter extra für eine Woche in einer Plattenbauwohnung eingemietet hatten, etliche junge Leute, die »aus echt krassen Familien kommen, wie aus dem Klischeebuch«, erzählt die 41-Jährige: Kinder mit überforderten, alleinerziehenden Müttern oder mit alkohol- und drogenabhängigen Eltern. »Die kamen aber nie zu den Proben.« Zum Glück traf sie schließlich die Bandmitglieder von »The Ardent Desire«, die gerne mitmachen, dazu einige Jugendliche aus der Hip-Hop- und Graffiti-Szene. Keine Straßenkids, sondern Abiturienten aus guten Familien - doch da auch einige junge Leute vom Alexanderplatz dabei sind, ergibt sich doch ein recht buntes Bild.

Den eigenen Horizont und den anderer zu erweitern, das ist die Haupttriebkraft von Franziska Naumann-Gashi. Mit ihren Theaterprojekten will sie Menschen zusammenbringen, die sich sonst nie treffen würden. Und obwohl es am Anfang immer viel Abstand zwischen den Gruppen gibt, merkt sie auch diesmal, wie allmählich die Toleranz steigt und der Ehrgeiz wächst.

Zwar wirken die meisten bei den Sprechszenen noch recht unsicher, doch bei den Songs legen sie sich ins Zeug: Als »Junge« von den Ärzten als Coversong über die Wiese dröhnt, singen alle mit.

»Die Show« am 25.5., 18 Uhr, vorm Eastgate/Haupteingang, 30.5., 18 Uhr, Volksbühne, 1.6., 15.30 Uhr, Fritz-Lang-Platz, 19.6., 18 Uhr, vorm Galeria Kaufhof am Alexanderplatz

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