Siegeszug der »Swing-Heinis«

Vor 60 Jahren wurde die Deutsche Jazz Föderation gegründet

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Kriegsende wussten die meisten Deutschen nicht, was Jazz eigentlich ist. Es gab jede Menge Vorurteile gegenüber dieser wilden, amerikanischen Musik. Daher überlegte Horst Lippmann, Schlagzeuger in der Frankfurter Hot Club Combo, wie man dem Jazz zu Renommee verhelfen könne. Bei Plattenabenden warb er für seine Idee, die Jazzclubs in den drei westdeutschen Besatzungszonen zu einem Netzwerk zu verbinden. Vor 60 Jahren, im Mai 1952, vereinten sich 21 Clubs zur Deutschen Jazz Föderation (DJF).

Um ernst genommen zu werden, gaben sich die Clubs betont seriös. Sie richteten Schallplattenarchive und Fachbibliotheken ein, abonnierten Musikzeitschriften, organisierten Vorträge, gaben Mitteilungsblätter heraus. Es gab strenge Vereinsregeln. Die Club-Kultur im Nachkriegs-Westdeutschland trug konservative Züge, waren doch viele der Organisatoren ältere Fans und daher Anhänger des Hot Jazz in der Tradition von Louis Armstrong oder Duke Ellington. Mit dem aufkommenden Swing-Tanz hatten sie nichts am Hut. In den Mitteilungen des Darmstädter Clubs hieß es unverblümt, man wolle keine »Swing-Heinis« im Club haben.

DJF-Initiator Horst Lippmann organisierte ab 1953 das Deutsche Jazzfestival in Frankfurt am Main, das sich zur Leistungsschau des westdeutschen Jazz entwickelte. In den Sechzigern setzte sich die DJF für die Gründung einer europäischen Jazzföderation ein. Unterstützung fand sie vor allem in Polen und der Tschechoslowakei. Kontakte in die DDR beschränkten sich auf eine inoffizielle Ebene.

»Die Entwicklung der DJF wurde von den Jazzfreunden in der DDR aufmerksam beobachtet«, erinnert sich der Jazzmoderator Karlheinz Drechsel, der ab 1956 die »IG Jazz« unter dem Dach der Dresdener FDJ leitete. »1956 reiste die Modern Combo der TH Dresden zum Jazzfestival nach Frankfurt am Main; kurz darauf kamen der westdeutsche Blues-Experte Günter Boas und die Düsseldorfer Spiritual Singers nach Dresden - ohne Hilfe der DJF unmöglich.«

Mitte der Siebziger schien das Hauptziel der DJF, die kulturelle Anerkennung des Jazz, erreicht; der Verband fiel in eine Ruhepause. Erst 1996 fanden sich einige Altmitglieder zusammen und nahmen die Vereinsmitarbeit wieder auf. Heute vereint die DJF rund 160 Jazzveranstalter. Die Föderation engagiert sich beim Skoda Jazz Preis für junge Bigbands, betreibt kulturpolitische Lobbyarbeit in der Bundeskonferenz Jazz, ist Mitorganisator der Messe »Jazzahead« in Bremen.

»Eigentlich kämpft unser Verein in Bereichen wie früher«, meint der stellvertretende DJF-Vorsitzende Michael Leonhardt. »Es geht um Fördergelder, um die kulturelle Anerkennung des Jazz und seine Spiegelung in den Medien. Auch beschäftigen wir uns mit der Gema.« Letzteres ist hochaktuell, will die doch ab 2013 ein Kostenmodell einführen, das die Tarife vor allem für mittelgroße Jazzveranstaltungen und Freiluftkonzerte hochtreibt.

Angesichts schrumpfender Etats und wachsenden kommerziellen Drucks ist die Förderpolitik durch die öffentliche Hand ein Dauerthema im Verein. »Zwar ist die Musikförderung Sache der Länder und Kommunen; der Bund kann jedoch Impulse setzen, zum Beispiel mit seiner Spielstättenförderung«, erläutert Leonhardt. «

Die berechtigte Forderung nach fairen Musikergagen dürfe sich daher nicht nur an die Clubs richten. »Da bräuchten wir Unterstützung. Die Clubs alleine können die Musiker nicht angemessen bezahlen«, erklärt Leonhardt. Damit Musiker und Veranstalter in dieser Sache an einem Strang ziehen, hat die DJF Ende April Julia Hülsmann zur Deutschen Jazzbotschafterin ernannt. Die Pianistin ist zugleich Vorsitzende der Union Deutscher Jazzmusiker.

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