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Mutti ist unschuldig

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Mutti ist unschuldig

Das Leben kann so ungerecht sein. Der Eine verdient zu wenig, der Andere zu viel. Fragt der FC Bayern-Trainer seinen Stürmerstar: »Ist dir eigentlich klar, dass du mehr verdienst als die Bundeskanzlerin?« Spieler: »Kann sein, aber hast du Angela Merkel schon mal Fußball spielen sehn?!« Dieses Argument ist nur die halbe Wahrheit, denn ein Bayernprofi hat nicht die geringste Chance, zur mächtigsten Frau der Welt verklärt zu werden. Die Kanzlerin erlebt so was alle fünf Minuten. Kürzlich wählte das US-Nachrichtenmagazin »Time« Frau Dr. Merkel schon wieder unter die hundert einflussreichsten Pappnasen der Welt, wie übrigens auch die britische Prinzessin Kate und ihre Schwester Pippa, die mit dem sexy Achtersteven. Sogar Hollywoodstar George Clooney wünscht sich nichts sehnlicher, als auf der Leinwand die weltberühmte Templinerin verkörpern zu dürfen.

Merkel, schreibt »Time«, sei nicht nur »Mrs. World« und Großkanzlerin von Deutschland, sie herrsche sogar über ganz Europa. Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Unternehmerverbands DIHK, sieht das ähnlich. Messerscharf schließt er daraus, die deutsche Regierungschefin sei sträflich unterbezahlt. Das Gehalt der Kanzlerin müsse schleunigst verdoppelt und verdreifacht werden. 500 000 bis 600 000 Euro, sagt er, soviel dürfte es schon sein. So was lässt sich unsere Kanzlerin natürlich nicht zweimal sagen. Prompt erhöhte sie sich die Bezüge in einem ersten Schritt um monatlich tausend Euro, ihre Minister waren mit siebenhundert Euro dabei. Damit versetzte sie speziell dem ungeliebten Sarko-Nachfolger in Paris einen schweren Schlag. Denn François Hollande folgt dem konsumfeindlichen Slogan »Geiz ist geil« und kürzte gleich bei seiner ersten Kabinettssitzung das Präsidentengehalt um dreißig Prozent. Auch seine Minister mussten auf dreißig Prozent verzichten, ob sie wollten oder doch.

Dieser außenpolitische Erfolg gibt Angela Merkel Trost und Kraft. Um sie ist es einsam geworden. Wo sind sie nur alle hin, ihre schwarzgelben Minister? Franz-Josef Jung (Arbeit), Rainer Brüderle (Wirtschaft), Karl-Theodor zu Guttenberg (Verteidigung) - alle weg. Wann geht Annette Schavan (Bildung) von der Fahne, nachdem auch ihr der Ruf anhaftet, ihre Doktorarbeit mit Plagiaten aufgehübscht zu haben? Plötzlich und unerwartet hat nun auch noch höhere Gewalt Norbert Röttgen (Umwelt) aus dem Kabinett gekegelt, Merkels langjährigen Liebling. Und die Mutti blickte stumm auf dem ganzen Tisch herum …

Der Rausschmiss lauert überall. Röttgen hatte selig vom Paradies geträumt, doch er war aufgewacht in Nordrhein-Westfalen. Drei Tage vor der Wahl in Düsseldorf galt er noch als unersetzlicher Hoffnungsträger, drei Tage danach hatte die Chefin ihn längst in die Wüste geschickt, wenn auch schweren Herzens. Was war passiert? Röttgen weiß es, darf es aber nicht sagen. Die Parteifreunde vom CDU-Bundesvorstand warnen und mahnen, er solle Demut zeigen und sich »nicht als Plaudertasche betätigen«.

Horst Seehofer verbreitet das Märchen, Angela Merkel hätte die Causa Röttgen »ganz souverän und eigenständig« entschieden. Dies ist, mit Verlaub, eine Info aus dem Graubereich der Wahrheit. So brutal kann Mutti gar nicht sein! Wer die Zeitung liest, weiß, dass sie ihren Röttgen auf Empfehlung der übermächtigen Energiebosse geschasst hat. »Ein solcher Wechsel«, sagt Gauck, der Präsident, »ist Ausdruck der Demokratie, in der wir leben.« Und wo er recht hat, hat er recht. Kommentar der Niedriglohn-Elektriker: Ihr da Ohm, ihr macht, Watt ihr Volt!

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