Zukunftsfrage Energienetze

Diskussion um die Rekommunalisierung der Versorgungsinfrastruktur nimmt Fahrt auf

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Exakt 23 266 Unterschriften hat der Berliner Energietisch für sein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Energienetze gesammelt - 20 000 gültige Unterschriften sind für die erste Stufe eines Volksbegehrens nötig. »Wir sind fast am Ziel«, sagt Stefan Taschner, der Sprecher des Energietisches, bei dem inzwischen 41 Initiativen mitmischen. Bis Ende Juni soll sicherheitshalber weitergesammelt werden.

Doch nicht nur auf bürgergesellschaftlicher Ebene nimmt die Diskussion über die Zukunft der Energienetze derzeit Fahrt auf. Auch politisch bekennen immer mehr Parteien Flagge: Zuletzt stimmte am vergangenen Wochenende der SPD-Landesparteitag für eine Unterstützung des Volksbegehrens zur Energie. LINKE, Grüne und Piraten hatten schon früher Unterstützung signalisiert. Damit sind theoretisch mehr als zwei drittel der Abgeordneten im Abgeordnetenhaus für die Absicht, die Energienetze zurück in Bürgerhand zu bringen. Und die Chancen für eine Rekommunalisierung stehen gut: Ende 2013 läuft die Konzession fürs Gasnetz aus, Ende 2014 fürs Stromnetz.

»Das Verteilungsnetz ist das Rückgrat der öffentlichen Energieversorgung und eine wesentliche Vorrausetzung für die Daseinsvorsorge«, betont Taschner. Gemeinsam mit Vertretern der bisherigen Netzbetreiber Vattenfall und Gasag sowie eines Vertreters der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin war der Sprecher des Energietisches gestern ins Abgeordnetenhaus geladen. Im Stadtentwicklungsausschuss war eine Anhörung zur Zukunftsfrage Energienetze anberaumt worden.

Denn in den kommenden Monaten dürfte die Netz-Vergabe einer der spannendsten politischen Fragen werden. Insgesamt sechs Unternehmen haben sich für das Gasnetz, acht für das Stromnetz beworben. Diskutiert werden auch Modelle, bei denen Unternehmen mit dem Land kooperieren. Seit Ende April läuft das Interessenbekundungsverfahren für die Netze, deren Konzessionen für insgesamt 20 Jahre ausgeschrieben werden.

Zentral bei der Entscheidung für die Vergabe dürften die Fragen sein, wer garantiert eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, bringt zugleich den Klimaschutz voran und bezahlt zudem die Beschäftigten auf Tarifniveau. Nicht zuletzt ist es für das Land Berlin überdies wichtig, wie groß die Wertschöpfung aus den Netzen und steuerlichen Abgaben ist. Sprich: Wie viel Geld in den klammen Haushalt fließt.

Die bisherigen Betreiber zeigen sich stark bemüht, auch künftig zum Zuge zu kommen. »Wir haben seit 1993 rund 1,3 Milliarden Euro in den Ausbau und die Sanierung des Gasnetzes gesteckt«, rechnet Gasag-Finanzvorstand Olaf Czernomoriez vor. Das Gasnetz in Berlin sei in einem guten Zustand und der Netzbetrieb seit 1993 in höchster Qualität erbracht worden. »Wir verfügen über alle technischen und personellen Potenziale, um auch künftig das Netz zu betreiben«, so Czernomoriez. Offen zeigt sich die Gasag auch für Gespräche über Landesbeteiligungen. Mit Verweis auf Hamburg betont auch Vattenfall, Landesbeteiligungen nicht grundsätzlich abzulehnen. 240 Millionen Euro habe man pro Jahr für Ausbau und Erhalt des Stromnetzes ausgeben, sagt Erik Landeck, der Geschäftsführer der Vattenfall Europe Distribution Berlin GmbH.

Aber ob sich Vattenfall mit seiner Klage gegen den Atomausstieg bei den Berliner Abgeordneten einen Gefallen tut? Von vielen als sympathischer wird da die Bewerbung der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin gesehen. »Wir wollen mit unserer Initiative dazu beitragen, dass die Erträge aus der Netzbewirtschaftung in der Region bleiben und kein Gewinnabfluss in Konzernzentralen erfolgt, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende von BürgerEnergie Berlin, Hartmut Gaßner. Im Widerspruch zum Volksbegehren steht die Genossenschaftsidee im Übrigen nicht: »Die sammeln Geld, wir sammeln Unterschriften«, sagt Stefan Taschner. Das Ziel sei dasselbe.

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