Riexinger findet neue Freunde

Linksparteichef kam auch bei Klausur der Landtagsfraktion gut an

Via Facebook war Bernd Riexinger bereits mit einigen brandenburgischen Landtagsabgeordneten der Linkspartei befreundet. Der neue Bundesvorsitzende hatte es nur noch nicht bemerkt, weil er bei seinen Reisen in den letzten Tagen nicht die Zeit hatte, im Internet nachzuschauen.

Gestern hatte Riexinger Gelegenheit, die bislang nur virtuellen Freunde auch persönlich zu treffen. Er besuchte am Vormittag eine Klausur der Landtagsfraktion in Beelitz-Heilstätten. Dort, im Landhotel »Gustav« am Paracelsusring, machte er sich zunächst ein Bild, stellte aber auch vor, was er sich mit seiner Ko-Vorsitzenden Katja Kipping für die ersten 120 Tage Amtszeit vorgenommen hat.

Der Besuch des Schwaben hatte nach Einschätzung des Landesvorsitzenden Stefan Ludwig auch einen symbolischen Wert. Immerhin gehören der Landtagsfraktion zwei aktive Minister an. Damit kann keine andere Linksfraktion aufwarten - und an der rot-roten Koalition in Brandenburg hatte es besonders von Genossen aus dem Westen bisher immer wieder Kritik gegeben. Das Zusammentreffen sei »Ausdruck der nicht nur proklamierten neuen Kunst des Zuhörens und des gemeinsamen Gestaltens von Politik«, stellte Ludwig fest, der zugleich stellvertretender Fraktionschef ist.

Vor allem zugehört hat Riexinger am Donnerstag - und sich informiert, denn mit den Details der Koalition in Brandenburg ist er noch nicht vertraut, wie er freimütig zugab. Hilfreich dürfte die rote Mappe mit einer Darstellung der Erfolge aus Sicht der Linksfraktion sein, die der Bundesvorsitzende geschenkt bekam - neben einer Ausgabe von Theodor Fontanes »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« und einer Flasche »Werderaner Wachtelberg«. Fraktionschefin Kerstin Kaiser hofft, dass er den Wein auch genießt.

Schöntrinken muss sich der Bundesvorsitzende die Situation in Brandenburg allerdings nicht. Nach dem, was er schon weiß, sieht er durchaus Fortschritte. Ausdrücklich lobte Riexinger beispielsweise, dass es gelungen sei, ein Vergabegesetz zu beschließen, das öffentliche Aufträge an die Bedingung knüpft, dass die Beschäftigten mindestens 8,50 Euro Stundenlohn erhalten. Auch kleinere Kitagruppen begrüßte er.

Man sollte »weniger mit Verdächtigungen arbeiten«, empfahl Riexinger. Es sei ein Kunststück der Medien, ihn als Fundamentalisten hinzustellen. Schließlich sei er Gewerkschafter und als solcher nicht nur damit befasst gewesen, Streiks zu organisieren, sondern auch gewohnt, Kompromisse zu schließen. Ob in der Regierung oder in der Opposition, es gehe für die LINKE immer um ihre Glaubwürdigkeit. Geschickt reagierte Riexinger auf Nachfragen von Journalisten, ob der beabsichtigte drastische Personalabbau im öffentlichen Dienst Brandenburgs kein Problem für ihn sei. Er sprach davon, wie die Länder unter der verfehlten Steuerpolitik der Bundesregierung leiden und deshalb enge finanzielle Spielräume haben. Reiche müssten im Interesse des Gemeinwohls stärker herangezogen werden.

Da sind sich die Genossen einig, und überhaupt legte Riexinger den Schwerpunkt auf Gemeinsamkeiten und nicht auf die 20 Prozent Meinungsverschiedenheiten. Über Grundsicherung oder bedingungsloses Grundeinkommen müsse man sich doch nicht bis aufs Messer streiten, sagte er, wenn man sich doch einig sei, dass Hartz IV falsch und unwürdig ist. Im Übrigen sei das Modell der linkspluralen Partei richtig, die Kaderpartei gehöre der Vergangenheit an.

Riexingers Art kam bei den Abgeordneten gut an. Es habe viel Nachdenklichkeit und Unterstützung gegeben, erzählte Kerstin Kaiser. Von Besserwessis haben die Brandenburger die Nase voll, aber der Schwabe ist so gar nicht von dieser Sorte. »Der Ton ist uns nah gewesen.«

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