Feuer in der Uranmaschine

Erster Störfall vor 70 Jahren bei Nazi-Atomprojekt

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.

Leipziger Physiker um die Professoren Robert Döpel und den später nach Berlin gewechselten Werner Heisenberg waren während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich am sogenannten »Uranprojekt« beteiligt - das war der Deckname für wissenschaftliche Arbeiten, mit denen sich die Nationalsozialisten die 1938 entdeckte Kernspaltung technisch und militärisch zunutze machen wollten.

In ihrem »Uranmaschine« genannten, mit Uran als »Brennstoff« und schwerem Wasser als Moderator bestückten Versuchsreaktor konnten Döpel und Heisenberg im Frühjahr 1942 erstmals eine Neutronenvermehrung erreichen. Bei einem dieser Experimente habe sich der Werkstattmeister die Hand verbrannt, als er im Auftrag Döpels zwei Esslöffel Uranpulver in ein Aluminiumgefäß streuen wollte, berichtet der Physiker Dietmar Lehmann. Er hatte Anfang der 1990er Jahre für den Band »Werner Heisenberg in Leipzig. 1927 - 1942« recherchiert und war dabei auf einen Koffer voller Unterlagen gestoßen, in denen es unter anderem auch um den Uranbrand im Juni ging.

Als die Versuchsreihe beendet war, ließ Döpel am 23. Juni den Einfüllstutzen der Uranmaschine öffnen, aus dem ein paar Tage zuvor Gasblasen ausgetreten waren. Es zischte, einige Sekunden danach schoss eine Stichflamme aus der Apparatur, schildert Lehmann den weiteren Hergang. Das Uran verbrannte und sprühte Funken. »Das war zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet worden«.

Als das Feuer drei Stunden später unter Kontrolle schien, wurde es aufs Neue entfacht. Das Kugelgefäß mit dem Uranpulver zersprang. Die Glut des Uranpulvers sprühte sechs Meter in die Höhe. Die Feuerwehr wurde gerufen, die den Brand mit Decken und Schaum eindämmte. Erst am Tag darauf brannte es nicht mehr. Die beteiligten Wissenschaftler seien damals einer geringen Strahlungsdosis ausgesetzt worden, so Lehmann. »Natürlich war das der erste Störfall in der Geschichte der Kernkraft«, sagt der Dekan der Leipziger Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Jürgen Haase. Die Leipziger Physik habe damals bahnbrechende Forschung auch auf dem Gebiet der Kernphysik betrieben. »Dabei kann auch mal etwas passieren«.

Am 24. Juni 2012 will Lehmann im Rahmen einer »Sonntagsvorlesung« im Gebäude der Fakultät über die Uranmaschinen-Versuche in Leipzig berichten. Im Anschluss wird Reinhard Steffler über den damaligen Feuerwehreinsatz informieren.

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