Sprachschulen erleben neuen Boom

Ansturm aus südeuropäischen Krisenländern

  • Anja Sokolow, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
In Zeiten der Krise suchen viele Spanier, Italiener, Griechen und Portugiesen selbst im armen Berlin ihre Chance. Doch vor der Bewerbung heißt es zunächst oft erst einmal: Deutsch lernen.

In Zeiten der Krise sehen viele Spanier, Italiener, Griechen und Portugiesen selbst im armen Berlin ihre Chance und suchen dort Arbeit. Doch vor der Bewerbung heißt es zunächst oft erst einmal: Deutsch lernen. Zahlreiche Sprachschulen registrieren seit 2011 eine deutlich stärkere Nachfrage von Schülern aus Krisenländern, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Auch die Goethe-Institute im Ausland erleben einen nie dagewesenen Ansturm. Durch die Krise in den südeuropäischen Ländern geht mancher Schule aber auch die Kundschaft verloren.

Das Berliner Statistikamt registrierte 2011 einen Zuzug von rund 1500 Spaniern und rund 1600 Italienern. Die Zahl der Berliner mit griechischem Pass erhöhte sich um fast 850 und die der Portugiesen um rund 270. In den Sprachschulen macht sich vor allem der Zuwachs an Spaniern bemerkbar. Die dortige Regierung macht es Lernwilligen auch leicht und unterstützt sie mit Stipendien für Sprachkurse im Ausland.

»Der Anteil von Lernenden aus EU-Ländern ist größer geworden, wobei junge Spanier mit Abstand die größte Gruppe bilden, gefolgt von Italienern und seit einem halben Jahr auch verstärkt Griechen«, berichtet etwa die Programmbereichsleiterin für Sprachen an der Volkshochschule Tempelhof-Schöneberg, Helga Senden. Die Tendenz sei generell steigend. Rund 150 Deutschkurse pro Jahr biete die Schule jährlich an und sei vergleichbar mit anderen Einrichtungen in Bezirken mit ähnlich hohem Ausländeranteil.

Auch private Anbieter beobachten den Zuwachs: »Wir haben seit 2011 etwa 20 Prozent mehr Schüler aus Spanien«, berichtet etwa Gertrud Schwarzer von der Sprachschule Inlingua. Viele Schüler seien zwischen 20 und 30 Jahren alt und auf der Suche nach Arbeit. Etwa ein halbes Jahr dauere es, bis ein Anfänger die Sprache einigermaßen beherrsche. Die meisten schrecke das nicht: »Die Schüler sind oft sehr motiviert.«

Eine ähnlich gestiegene Nachfrage, vor allem von Spaniern und Griechen, gibt es auch bei der GLS-Sprachschule im Prenzlauer Berg. »Die einen wollen in Deutschland studieren, andere finden in ihrem Heimatland keine Arbeit und suchen diese jetzt hier«, sagt Mitarbeiterin Pina Ellner.

Auf 15 bis 20 Prozent schätzt auch der Leiter des Goethe-Instituts in Berlin, Günther Neuhaus, die gestiegene Nachfrage von Schülern aus Krisenländern. »Sie kommen vor allem aus Spanien«, sagt Neuhaus. Von einem Ansturm will er aber nicht sprechen. »Wir werden nicht überrannt und die Entwicklung ist nicht neu«, sagt er mit Verweis auf die 1950er und 60er Jahre, als deutlich mehr Gastarbeiter kamen.

Der Sprecher der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts, Christoph Mücher, sieht die Entwicklung euphorischer: »Die Nachfrage nach Deutschkursen ist so hoch wie noch nie.« Vor allem im Ausland seien sie so gefragt wie nie zuvor. Allein in Spanien seien die Schülerzahlen um 40 Prozent gestiegen, in Griechenland um 15 Prozent. Die Institute müssten inzwischen überlegen, wie der Boom zu bewältigen ist.

Anders spürt eine auf Sprachreisen nach Deutschland spezialisierte Schule die Krise. »Sprachreisen sind etwas für zahlungskräftige Kunden und die kommen jetzt nicht mehr aus Spanien oder Italien«, sagt eine Mitarbeiterin. Für einen mehrmonatigen Kurs würden schließlich mehrere Tausend Euro fällig. Die Schule setze nun vor allem auf solvente Kundschaft aus der französischsprachigen Schweiz.

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