Unerhörte Lohnunterschiede

  • Michael Leutert
  • Lesedauer: 4 Min.
Michael Leutert ist Bundestagsabgeordneter der LINKEN.
Michael Leutert ist Bundestagsabgeordneter der LINKEN.

Einkommen auf maximal 40 000 Euro im Monat begrenzen - der Vorschlag unserer Parteivorsitzenden Katja Kipping hörte sich anfangs irritierend an. Alles darüber an die Gemeinschaft abgeben? Zielt die Forderung überhaupt in die richtige Richtung?

Zunächst mal: Ein Problem besteht, und wir müssen darüber reden. Wenn der Vorstand eines Dax-Konzerns ungefähr hundert Mal so viel wie eine Kindergärtnerin verdient, muss man schon fragen, ob das noch angemessen ist. Die Entwicklung verdeutlicht dies: Im Durchschnitt aller Dax-Unternehmen verdiente der Vorstand früher 19 Mal so viel wie ein Mitarbeiter, heute ist es das 44-fache, wie ein Studie über Managergehälter der Berliner Humboldt-Universität aus dem Jahr 2007 ergab. Bei der Deutschen Post, die sich zum Großteil in staatlichem Besitz befindet, verdiente 1995 ein Vorstandsmitglied im Durchschnitt elf Mal so viel wie ein Mitarbeiter. 2006 war es schon das 87-fache. Diese wachsende Schere belegt auch eine OECD-Studie von 2011: Waren die Einkommensunterschiede in der Bundesrepublik früher eher gering, haben sie in den letzten zehn Jahren stärker zugenommen als in jedem anderen OECD-Staat. Ja, der Vorschlag von Katja Kipping weist auf ein gesellschaftliches Problem hin.

Das sehen auch andere so. Entsprechende Kritik an der Höhe von Spitzeneinkommen haben nicht nur Vertreter von Sozialverbänden und Kirchen in den letzten Jahren geäußert. Auch der damalige SPD-Vizekanzler Franz Müntefering wollte Managergehälter begrenzen. Eine zehnmal bessere Bezahlung könne er noch verstehen, zitiert ihn die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 27.5.2007, eine hundertmal bessere nur noch schwer. »Das muss auch eine Grenze haben«, forderte Müntefering - was leider nichts an sozialdemokratischer Politik änderte.

Dennoch gab es bereits eine Einkommensbegrenzung für Manager in Deutschland. Als die schwarz-rote Bundesregierung 2008 den taumelnden Banken mit öffentlichen Geldern half, machte sie eine Auflage: Die Vorstandsgehälter wurden auf 500 000 Euro im Jahr begrenzt - der Vorschlag von Katja Kipping läge mit 480 000 Euro jährlich nur unwesentlich darunter.

Die Beispiele verdeutlichen, dass die Debatte um die wachsende Einkommensschere ohnehin auf der gesellschaftlichen Tagesordnung steht. Erstaunlich ist eher, dass sie noch nicht ernsthaft geführt wird. Seit Jahren reden wir über Lohnuntergrenzen. Eine Debatte über Lohnobergrenzen steht noch aus. Dafür kann die Diskussion um den Mindestlohn als Vorbild dienen.

Es wäre jedoch falsch, die Debatte auf den rein monetären Aspekt zu beschränken. Es geht nicht nur um individuelle Einkommen. Katja Kipping hat bewusst auf einen zweiten Aspekt aufmerksam gemacht, als sie auf die soziale Dimension hingewiesen hat. Für den Einzelnen lässt sich jenseits von 40 000 Euro im Monat ohnehin kein zusätzlicher Lebensgenuss mehr erzielen. Auf die Gesellschaft dagegen können sich große Vermögen und hohe Einkommen negativ auswirken. Man muss noch nicht einmal bis zu Möglichkeiten direkter Beeinflussung von politischen Entscheidungsträgern durch Sponsoring oder Korruption gehen. Ein Blick in die USA und auf den derzeit stattfindenden Präsidentschaftswahlkampf gibt uns ein ganz legales, gesellschaftlich akzeptiertes Beispiel von Einflussnahme vermögender Menschen auf politische Prozesse. Wer keinen Zugang zu potenten Spendern hat, kann auch nicht mit realer Chance für das Präsidentenamt kandidieren. Und ein Blick auf den Fall Christian Wulff in unserem eigenen Land zeigt die gesellschaftlich nicht akzeptierte Form solcher Einflussnahme.

Dieses Problem der illegalen Einflussnahme lässt sich natürlich nicht allein über eine Regulierung von Einkommen lösen. Der Vorschlag eines Maximaleinkommens ist daher als Teil einer größeren Debatte zu verstehen, in der es um die ungleiche Verteilung von Finanzressourcen und deren Auswirkung geht. Ob Maximaleinkommen, Mindestlohn, Spitzensteuersatz, Vermögenssteuer oder ähnliche Konzepte: Diese Themen sind nicht isoliert voneinander zu diskutieren. Sie verbindet das Ziel, unsere Gesellschaft gerechter und demokratischer zu gestalten.

Isoliert betrachtet liefe das Thema Maximaleinkommen Gefahr als Neiddebatte denunziert zu werden. Es geht aber nicht um Neid! Es geht darum, dass jede Stimme gleich viel wert sein muss. Und es geht um die simple aber grundlegende Frage, wie gerecht, wie demokratisch und wie transparent unsere Gesellschaft sein soll.

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