Große Versöhnung in Reims

Merkel und Hollande beim Jubiläumsauftakt der deutsch-französischen Beziehungen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande erinnerten am Sonntag mit einem Festakt im französischen Reims an das Treffen ihrer Vorgänger Konrad Adenauer und Charles de Gaulle vor 50 Jahren, mit dem die deutsch-französische Freundschaft begann. Unterdessen wurden in der Nähe über 50 deutsche Kriegsgräber geschändet.

Am 8. Juli 1962 zelebrierten Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer mit einer Messe in der im Ersten Weltkrieg schwer beschädigten Kathedrale von Reims die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland. Auf den Tag genau 50 Jahre später gedachten am Sonntag ihre Amtsnachfolger François Hollande und Angela Merkel am historischen Ort mit einem betont weltlichen Festakt dieser denkwürdigen »Versöhnungsmesse«. Dabei wurden auch sechs neue Kirchenfenster des deutschen Künstlers Imi Knoebel eingeweiht, die jene Mosaike ersetzen, die 1914 durch deutsche Kanonen zerstört wurden.

Merkel und Hollande gaben sich betont versöhnlich und unterstrichen den Wert der deutsch-französischen Freundschaft, auch für die europäische Einheit. Die Herausforderungen der Eurokrise wolle man gemeinsam und im Schulterschluss mit den anderen europäischen Ländern meistern.

Überschattet wurde die Zeremonie von der Schändung eines deutschen Soldatenfriedhofs im nahe gelegenen Saint-Étienne-à-Arnes tags zuvor. Unbekannte hatten 51 Grabsteine und Kreuze aus dem Ersten Weltkrieg herausgerissen und teilweise verbrannt. Das französische Innenministerium zeigte sich empört, Präsident Hollande erklärte, »keine dunkle Gewalt und noch weniger die Dummheit« könne die tiefe deutsch-französische Freundschaft trüben.

Die Gedenkzeremonie in Reims leitete mehrmonatige Jubiläumsfeierlichkeiten mit zahlreichen politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen ein, zu denen im September der 50. Gründungstag des Deutsch-Französischen Jugendwerkes gehört. Den abschließenden Höhepunkt bildet am 22. Januar 2013 in Berlin eine Festveranstaltung zum 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages, der bei dieser Gelegenheit um ein gemeinsames Dokument ergänzt werden soll, das aktuelle Ziele setzt. Der Text ist noch nicht fertig formuliert, doch ist absehbar, dass dabei neue Formen der Jugendbegegnung, gemeinsame Forschungsprojekte oder der Energiewandel angesprochen werden.

»Seit 50 Jahren haben die deutsch-französischen Beziehungen wesentlich dazu beigetragen, Europa voranzubringen«, so Bernard Cazeneuve, Frankreichs Minister für Europa-Angelegenheiten. Dass die ersten Begegnungen zwischen Hollande und Merkel weniger von bilateraler Zusammenarbeit als von Kräftemessen und verhaltenem Misstrauen geprägt waren, will Cazeneuve nicht überbewertet sehen. »Auch Mitterrand und Kohl, unter denen die bilaterale Zusammenarbeit einen Höhepunkt erlebte, brauchten zunächst vier Jahre, bis sie einander verstanden und gut miteinander auskamen.«

Trotz der Küsschen von Hollande und Merkel bei den Feierlichkeiten in Reims ist zu bezweifeln, dass hier ein neues Freundespaar im Entstehen ist. Hollande setzt wohl eher auf die Bundestagswahl 2013 und einen Sieg der SPD, um das deutsch-französische Bündnis neu zu beleben und für Veränderungen in Europa in Stellung zu bringen.

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