Direkte Demokratie mit Hindernissen

Die Europäische Bürgerinitiative hat Startschwierigkeiten

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit gut drei Monaten ist die EU ein bisschen demokratischer: Nach der Einführung des europäischen Bürgerbegehrens können sich wahlberechtigte Europäer zusammentun, um der EU-Kommission Vorschläge zu machen. Das neue Instrument muss sich aber erst beweisen.

Von einem »Run« auf das neue Beteiligungsinstrument kann nicht die Rede sein. Bis jetzt sind nur sieben Europäische Bürgerinitiativen (EBI) registriert und die Organisatoren eher frustriert als motiviert. Seit Mai sammeln sie Unterschriften in sieben Ländern, um ihr Anliegen bei der EU-Kommission einreichen zu können. Dann könnte ihr Antrag zu einer Richtlinie werden oder sich zumindest das EU-Parlament damit befassen.

Doch schon im ersten Schritt gibt es Pannen: Bis jetzt funktioniert das angekündigte Online-Unterschriftensystem nicht. Da die meisten Initiativen es vorziehen, per Internet Unterschriften zu sammeln statt sich vor Läden und Rathäuser zu stellen, sind ihre Kampagnen blockiert. »Die Onlineregistrierung ist eine europäische Dienstleistung und müsste seit Monaten zur Verfügung stehen«, echauffiert sich Philippe Cayla, Gründer der Initiative »let me vote« (Lasst mich wählen). »Wenn wir wählen gehen, dann kümmern wir uns schließlich auch nicht darum, ob Urnen da sind oder nicht.«

Auf einer Konferenz der EU-Informationsplattform Toute l'Europe in Paris Ende Juni stellten Cayla und drei weitere Initiativen ihre Projekte vor. Der Leiter des Fernsehsenders »Euronews« und seine Mitstreiter wollen erreichen, dass alle EU-Bürger, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Land als ihrem Herkunftsland haben, die gleichen Wahlrechte bekommen wie Einheimische. Das betreffe zwar nur zehn Millionen Bürger, so Cayla, doch er sei zuversichtlich, dass die nötigen eine Million Unterschriften innerhalb eines Jahres zusammen kommen.

Seit drei Monaten können er und seine Helfer jedoch nur die Hände in den Schoss legen - während die Zeit läuft. Die EU-Kommission erklärte auf Nachfrage, dass sie bereit sei, die Fristen für die betroffenen Organisatoren zu verlängern. Sie sieht die Schuld aber nicht bei sich. In einem Schreiben wurde mitgeteilt, dass die Initiativen Probleme mit der Sicherheit der Internetseiten hätten und mit der Unterschriftensoftware nicht zurecht kämen.

Man habe sogar darüber nachgedacht, die Initiativen nicht nur mit Software, sondern auch finanziell zu unterstützen. Dies sei aber schnell verworfen worden, sagte Tony Venables vom European Citizen Action Service (ECAS), das Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen unterstützt, sich bei der EU Gehör zu verschaffen.

So haben alle Initiativen de facto die gleichen Chancen, aber nicht die gleichen Ausgangsbedingungen. Es besteht die Gefahr, dass einige von Verbänden oder Firmen finanziert werden, die profitorientiert arbeiten. Einen solchen Fall gibt es bereits: Die registrierte Initiative für den Schutz von Milchkühen wird von Ben&Jerry's gesponsort, einem US-amerikanischen Eishersteller. Wie der Kommunikationsforscher und Blogger Michael Malherbe bei der Konferenz anmerkte, sei die EBI eine Mischform zwischen »sozialem Protest und Lobbying«.

Trotz erfolgreicher Kampagnenarbeit können Initiativen aber auch von der Kommission abgelehnt werden, wenn sie bestehende EU-Verträge in Frage stellen. So geschehen bei dem Versuch, ein Begehren gegen die Nutzung von Atomkraft ins Leben zu rufen. Wegen des Euratom-Vertrages verweigerte das Exekutivorgan die Registrierung der Initiative. Eine Million Atomgegner zur Unterschrift zu bewegen, wäre sicher nicht schwer gefallen. Doch Demokratie auf EU-Ebene hat auch mit der EBI weiter ihre Grenzen.

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