Ein Kontinent rüstet auf

Brasilien fördert die heimische Industrie - dafür sollen Kampfflugzeuge und Atom-U-Boote gebaut werden

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Milliardenhilfen für die Rüstungsindustrie will Brasilien ins einträgliche Waffengeschäft einsteigen.

Während die Weltgemeinschaft in New York um die Verabschiedung eines neuen UN-Vertrages über Waffenhandel ringt, hat Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff eine Förderinitiative für die heimische Rüstungsindustrie ins Rollen gebracht. Über 70 Milliarden US-Dollar sollen bis 2015 in den Bau von Jagdflugzeugen und Atom-U-Booten fließen, berichtet die Tageszeitung »Clarín« (Argentinien). Die Steuermilliarden der aufstrebenden Regionalmacht sollen über Subventionen, Steuererleichterungen, Niedrigkredite und die Bildung »strategischer nationaler Rüstungskonsortien« dazu verwendet werden, Brasilien vom Einkaufsland zum Nettoexporteur von Waffen aufsteigen zu lassen.

Das Programm ist knallharte Wirtschaftsförderung: Das im März verabschiedetet Gesetz Nr. 12 598 bevorzugt bei Ausschreibungen für Rüstungsaufträge Unternehmen aus der Heimat. Auch ist, um in den Genuss der Vergünstigungen zu kommen, eine Aktienmehrheit brasilianischer Unternehmer Förderbedingung. Das Big Business steht in den Startlöchern. So hat sich »Odebrecht«, ein Mischkonzern im Bereich Chemie, Energie und Bauwirtschaft unter Führung der deutschstämmigen Odebrecht-Familie, die Beteiligung am Bau von Brasiliens künftiger Atom-U-Boot-Flotte gesichert. 4,5 Milliarden US-Dollar kostet das erste. Mit der Staatsfirma »Nuclebrás Equipamentos Pesados SA« für Atomkraftanlagen hat »Odebrecht« eine Beteiligung gegründet.

Auch andere Großinvestoren haben die Rüstung entdeckt. Kapitalkräftige High-Tech-Partner aus Europa stehen am Zuckerhut Schlange. So hat sich Odebrecht-Konkurrent »Andrade Gutiérrez« mit der französischen Waffenschmiede »Thales« zusammengetan. Das Ingenieurbüro »Engevix« ging ein strategisches Bündnis mit dem deutschen Rüstungsunternehmen »ThyssenKrupp« ein. Bauriesen wie »OAS« und »Queiroz Galvão«, Flugzeugbauer »Embraer« und andere stehen mit Rüstungsfirmen aus Italien und Großbritannien in Verhandlungen. In einem »O Globo«-Interview beschreibt General Aderico Visconte Pardi Mattioli vom Verteidigungsministerium das strategische Ziel Brasiliens: Um die »technologische Souveränität des Landes« zu erreichen, strebe man die Vereinigung aller großen Rüstungsunternehmen »wie in Europa« an.

Die Entwicklungen in Brasilien sind Spiegelbild zunehmender Aufrüstung in Südamerika. 2009 hatte Venezuela von Russland einen 2,2-Milliarden-Dollar-Kredit für den Kauf von Kampfpanzern und eines russischen Luftabwehrsystems bekommen. Brasilien vereinbarte mit Frankreich im selben Jahr sein Atom-U-Boot-Programm sowie den Bau von Kampfhubschraubern im Wert von über 12 Milliarden Dollar.

Im Weltvergleich liegt Südamerika aber längst nicht an der Spitze, stellte das »Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI) kürzlich fest. Rund 66 Milliarden Dollar gaben die Regierungen von Kolumbien bis Chile 2011 aus. Argentinien (-9 Prozent), Brasilien (-8,2 Prozent) und Venezuela (-7,4 Prozent) drosselten ihre Militärausgaben. Gesunde Staatshaushalte und wachsende Sicherheitsbedürfnisse treiben die Ausgaben dagegen langfristig nach oben. In den letzten zehn Jahren stiegen Zahlungen für Panzer und Kriegswaffen um 66 Prozent, rechnet SIPRI vor. Die größten Zuwächse 2011 verzeichnen Paraguay (+ 34 Prozent), Chile (+12 Prozent) und Guatemala (+7,1 Prozent). In Mittelamerika und der Karibik, die 2011 rund sieben Milliarden Dollar ausgaben - ein Zuwachs von 36 Prozent im Vergleich zu 2002 -, verzeichnete Mexiko (+5,7 Prozent) die größten Zuwächse.

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