Lebendig im Wirt

Global Viral - Die Virus-Metapher

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 2 Min.

viren sind mindestens so erfindungsreich wie der Mensch. Und mindestens so gefährlich. Viren leben nicht - oder jedenfalls nicht eigenständig -, aber sie können töten. Sie kommen von außen, aber dann dringen sie ein, und damit wird aus dem, was einmal fremd war, ein Bestandteil des eigenen, des nunmehr vom Virus unterwanderten Körpers. Der kann ein physischer sein, ein Mensch, ein Tier, von einer vom Virus ausgelösten Krankheit gezeichnet. Der Körper kann genauso gut ein Gemeinwesen sein, von kollektivem Verschwörungswahn erfasst. Oder ein Computer, von einem fernen, böswilligen Hacker zu seinen Zwecken mit Viren verseucht. Während man Bakterien bekämpfen kann, weil sie als solche zu erkennen sind, passt sich der Virus seinem Wirt so ununterscheidbar ein, dass die Gefahr besteht, mit dem einen auch den anderen zu zerstören. Und was muss man tun, um Gedanken aus dem kollektiven Bewusstsein loszuwerden, die, von außen eingeschleust, die Psyche unterwandern?

»Gobal Viral - Die Virus-Metapher« von Madeleine Dewald & Oliver Lammert ist ein Essay-Film, montiert aus Archivaufnahmen und assoziativen Bildern, wechselweise von der Regisseurin und einem männlichen Sprecher im schallisolierten Studioraum mit Texten übersprochen, die sich mit der Geschichte der Kommunikationstechnologie, der Medizin, mit Sprachtheorie beschäftigen, auf jeden Fall zum Nachdenken provozieren. In Interviews kommen Fachleute zu Wort (u.a. eine Fachfrau vom Chaos Computer Club), die zur Klärung von Begriffen beitragen. Sie referieren über kriminologische Theorien des späten neunzehnten Jahrhunderts zur Verseuchung der Gedanken durch Gehirnwäsche. Sie erläutern die unterschiedlichen Reproduktionsstrategien von HIV- und Tollwut-Virus, wägen die Realität der Gefahr einer terroristischen Nutzung von Biowaffen ab.

Ziemlich viel ziemlich gewichtiges Zeug auf einmal. Ein wenig drängt sich allerdings eine Frage auf: Die Filmemacher, die schon in »Vom Hirschkäfer zum Hakenkreuz« ihre große Freude an überlappenden Bild- und Begriffswelten bewiesen, haben sie nicht vielleicht ein wenig überinterpretiert, wenn sie von einem Begriff aus, der häufig angewandt, vielleicht etwas inflationär genutzt wird, dem »Virus«, gleich auf ein größeres gesellschaftliches Übel einschließlich Fremdenhass und Anti-Multikulti schließen wollen. Und was macht eigentlich die Querflötistin in der ganzen Sache?

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