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Beschäftigte zweiter Klasse

Gewerkschafter fordern weiterhin gesetzliche Regelungen für Leiharbeiter

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit ihrer Abkehr von dem Projekt einer gesetzlichen Gleichstellung von Leiharbeitern hat Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) Kritik und Unverständnis ausgelöst.

Die Bundesarbeitsministerin kündigte vor wenigen Tagen an, ihre Pläne zur Verbesserung der Lage von Leiharbeitern vorerst nicht weiter verfolgen zu wollen. Sie begründete dies damit, dass in den letzten Wochen für die chemische, die Stahl- sowie die Metall- und Elektroindustrie Tarifabschlüsse vereinbart worden seien, die die Bedingungen für Leiharbeiter deutlich verbesserten. Hier sollen die Löhne von Zeitarbeitern schrittweise angehoben werden und bei längerfristigem Einsatz in der Branche nahe an das Lohnniveau der fest angestellten und nach Branchentarif entlohnten Kernbelegschaften herankommen. Solche Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien seien auf jeden Fall gesetzlichen Regelungen vorzuziehen, erklärte Ursula von der Leyen. Von gewerkschaftlichen Forderungen nach weitergehenden Beschränkungen der Zeitarbeit, etwa durch eine gesetzliche Höchstverleihdauer, will die CDU-Frau nichts wissen. Die Zeitarbeit dürfte »nicht überreguliert« werden, so ihre Überzeugung.

Während die Ministerin für eine Reihe weiterer Branchen entsprechende Abschlüsse erwartet, äußerten sich Sprecher von Gewerkschaften zurückhaltender. So widersprach der Vizechef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Claus-Harald Güster, den Ankündigungen der Leiharbeitsverbände BAP und IGZ, jetzt auch mit der NGG bald entsprechende Regelungen zu vereinbaren. »Von einem echten Interesse an einer Regelung im Sinne der Arbeitnehmer war auf Seiten der Leiharbeitsverbände nichts zu spüren«, erklärte Güster. Diesen gehe es nur darum, »ein Signal der Beschwichtigung nach Berlin zu schicken«. Die NGG lasse sich nicht »vor den Karren spannen, nur damit die Arbeitgeberseite in Berlin einen guten Eindruck machen kann«. Gewerkschaftliches Ziel bleiben »Equal Pay« (gleicher Lohn) und »Equal Treatment« (Gleichbehandlung) von Leiharbeitern. Die Politik müsse den Einsatz von Leiharbeit endlich verantwortlich regeln.

Von der Vorbereitung von Verhandlungen sei man auch in den Branchen Gesundheit, Druck, Logistik und Verkehr noch »meilenweit entfernt«, teilte die zuständige Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. mit. Ihr Sprecher Christoph Schmitz erklärte, ver.di werde sich weiterhin für eine gesetzliche Regelung im Interesse der Leiharbeiter einsetzen. »Die unbürokratischste und gerechteste Lösung, um den Missbrauch von Leiharbeit zu bekämpfen, wäre ›Equal Pay‹ vom ersten Tag an«, so Schmitz.

»Ursula von der Leyen stiehlt sich aus der politischen Verantwortung gegenüber Leiharbeits-Beschäftigten«, kritisierte die Sprecherin der Linksfraktion für Arbeit und Mitbestimmung, Jutta Krellmann. »Sie versteckt sich hinter den Vereinbarungen in der Metall-, Elektro- und Chemieindustrie, um das ›Equal-Pay‹-Prinzip nicht flächendeckend durchsetzen zu müssen.« Die Ministerin lasse die Arbeitnehmer im Stich und habe »nur die Interessen der Unternehmer im Blick«, bemängelte der hessische SPD-Politiker Wolfgang Decker.

Von der Leyen will im November gemeinsam mit dem DGB und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände die tarifpolitischen Entwicklungen in der Leiharbeitsbranche überprüfen. Dies deutet darauf hin, dass die Regierung vor der Bundestagswahl im September 2013 keine gesetzliche Regelung über die Gleichstellung von Leiharbeitern mehr auf den Weg bringen wird. Dafür sorgen nicht zuletzt der Druck der FDP und die Vereinbarung der Koalitionspartner, in der Vorwahlzeit auf strittige Gesetzesvorhaben zu verzichten.

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