Islamisten übernehmen Kriegsregie

Auch Flüchtlinge aus Sudan und Somalia fürchten Gewalt in Syrien

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten der unterschiedlichsten Art stürzten am Wochenende auf die Korrespondenten in der syrischen Hauptstadt ein. Auf baldigen Frieden ließ keine hoffen.

Eine bewaffnete Gruppe haben unweit der syrischen Hauptstadt Damaskus einen Bus mit 48 iranischen Pilgern entführt. Die Männer und Frauen wurden auf dem Weg von Saida Zeynab zum Internationalen Flughafen mit Waffengewalt gestoppt und verschleppt. Während iranische Medien meldeten, die Gruppe sei durch syrische staatliche Sicherheitskräfte noch am Sonntagabend befreit worden, hieß es in syrischen Medien lediglich, die Sicherheitskräfte seien »mit der Aufklärung befasst«.

Saida Zeynab, das rund 20 Kilometer südwestlich von Damaskus liegt, beherbergt einen der wichtigsten Schreine, der jährlich von Zehntausenden schiitischen Pilgern aus aller Welt besucht wird. In den vergangenen Wochen war es in den kleinen Ortschaften und Dörfern, die zwischen Saida Zeynab und Damaskus liegen, wiederholt zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Aufständischen und Militär- und Sicherheitskräften gekommen. Die islamistische »Al-Baraa-Märtyrerbrigade«, die sich in einem Video auf dem saudiarabischen Sender »Al Arabija« zu der Entführung bekannte, behauptet, unter den Pilgern befänden sich Agenten der iranischen Revolutionsgarden. Irans Außenminister Ali Akbar Salehi wiederum ersuchte die Türkei und Katar, bei der Befreiung der Pilger zu helfen.

Der vor zwei Wochen aus seinem Haus in Damaskus entführte prominente Fernsehmoderator Mohammed al-Said ist offenbar von seinen Entführern ermordet worden. Per Internet erklärte die islamistische Gruppe »Al-Nusra-Front«, sie habe Al-Said getötet und werde weitere Unterstützer von Präsident Baschar al-Assad angreifen. Das Staatliche Syrische Fernsehen, bei dem Al-Said arbeitete, erklärte unterdessen, man habe keine »haltbaren Beweise« für den Tod des Kollegen. Die islamistische Gruppe, die bis Ende 2011 als unbekannt galt, hat seit Dezember die Verantwortung für schwere Anschläge in Aleppo und Damaskus übernommen.

Unweit der Hauptstadt, in der Ortschaft Yelda, waren am Sonnabend 22 Leichen gefunden worden. Nach Angaben syrischer Medien, die von dort berichteten, sollen die Opfer unbewaffnete Männer gewesen sein, die von einer bewaffneten Gruppe angegriffen wurden. Fotos zeigen die Leichen in ziviler Kleidung, ein Mann war offenbar durch einen Schuss ins Auge hingerichtet worden.

Die Kämpfe zwischen bewaffneten Aufständischen, Al-Qaida-Kämpfern und anderen Islamistengruppen einerseits und der syrischen Armee andererseits in und um die nordsyrische Wirtschaftsmetropole Aleppo hielten auch am Sonntag an. Während die bewaffneten Gruppen behaupten, weite Teile der Stadt bereits zu kontrollieren, heißt es aus syrischen Militärkreisen lediglich, es werde noch gekämpft. Am Sonnabend hatten die Aufständischen versucht, das Radio- und Rundfunkgebäude Aleppos zu stürmen, wurden aber von Armee- und Sicherheitskräften zurückgeschlagen. Offiziellen Quellen zufolge sollen die Aufständischen dabei hohe Verluste erlitten haben.

Zu den vielen zivilen Opfern der militärischen Auseinandersetzungen in der Umgebung von Damaskus gehört auch eine Gruppe von rund 350 Flüchtlingen aus Somalia und Sudan. Die Menschen, die seit drei Jahren oder länger in Damaskus leben und bei der UN-Organisation für Flüchtlinge ((UNHCR) offiziell registriert sind, mussten sich aus ihren Wohnungen in östlichen Vororten der syrischen Hauptstadt in Sicherheit bringen. Mit Hilfe der Arabischen Organisation für Entwicklung fanden sie Unterkunft in Schulen, die während der zweimonatigen Sommerferien geschlossen sind. In der Schule Mohamed Abdulrahman Abdin in Midan leben neben einige Familien aus Sudan vor allem alleinstehende Frauen aus Somalia mit ihren Kindern. Verzweifelt äußerten sie sich im Gespräch mit der Autorin über ihre Lage. Sie fühlten sich unsicher, Gewalt ausgesetzt und suchten dringend nach Wegen, Syrien zu verlassen, das ihnen bisher eine sichere Zuflucht geboten hatte. Eine Frau zeigte auf ihre Kinder und flehte weinend: »Nehmen Sie wenigstens meine Kinder mit, ich kann sie nicht versorgen.«

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