Abgestürzt

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wir treten hier an gegen den Kapitalismus à la Wall Street. Wir wollen nicht haben, dass jene Dinge einreißen in Europa die vielleicht in Amerika oder woanders gelten«, sagte Ernst Strasser bei einer Wahlkampfveranstaltung vor der Europawahl 2009. Wenn Strasser damals amerikanische Verhältnisse herbeischwadronierte, kann er nur Angst vor dem Auffliegen von Lobbytätigkeit verspürt haben - zu Recht. Wenig später bot der Österreicher verdeckt arbeitenden Journalisten an, für ein jährliches Beraterhonorar von 100 000 Euro die EU-Gesetzgebung zu beeinflussen. Nun hat die Staatsanwaltschaft in Wien Anklage wegen Korruption gegen den einstigen Karrieristen erhoben. Strasser drohen bis zu zehn Jahre Haft. Sein politischer Absturz ist perfekt.

Dabei hatte der Aufstieg des heute 56-jährigen Oberösterreichers so reibungslos seinen Weg genommen, wohl gerade, weil Strasser stets Kontakte zwischen Politik und Wirtschaft pflegte. Der promovierte Jurist war zunächst als Gemeinderat im heimischen Grieskirchen für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und beim Bauernbund tätig, woraufhin ihn Landwirtschaftsminister Josef Riegler zu seinem Sekretär berief. Von 2000 bis 2004 war Strasser schließlich Innenminister, wobei er sich mit einer kompromisslosen Asylpolitik den Ruf als Rechtsaußen erarbeitete.

Danach tauchte er zunächst in die Privatwirtschaft ab und wilderte im Beraterwesen. 2009 jedoch stellte ihn die ÖVP als Spitzenkandidat bei der Europawahl auf. Strasser gewann und wurde Delegationsleiter der ÖVP. Im März 2011 trat er wegen der Korruptionsaffäre von allen politischen Funktionen zurück.

Strasser selbst behauptet, unschuldig zu sein. Über seine Sprüche wie »Die meisten Parlamentarier sind so faul wie ich« kann sich aber jeder ein eigenes Bild per Klick im Internet machen. Leidtragend ist vielmehr das EU-Parlament, das von nicht wenigen Politikern genutzt wird, um in die eigene Tasche zu wirtschaften. Immerhin konnte Strasser dies nachgewiesen werden. Seine Verachtung des Parlaments rächt sich nun.

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