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Australiens Rückkehr zur »pazifischen Lösung«

Regierung will per Boot eintreffende Flüchtlinge erneut im benachbarten Ausland unterbringen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.
In Australien haben sich Labor-Regierung und konservative Opposition jetzt auf einen Gesetz verständigt, das in der Flüchtlingspolitik im Kern eine Rückkehr zur umstrittenen »pazifischen Lösung« vorsieht.

Manus Island in Papua-Neuguinea und Nauru: Wenn diese Namen in Bezug auf Australiens Umgang mit Asylbewerbern fallen, erinnern sie an die massive Kritik, die seinerzeit auf den konservativen Premier John Howard und sein Kabinett aus dem In- und Ausland einprasselte. Bis in höchste Kreise der Vereinten Nationen wurde auf die menschenunwürdigen Zustände hingewiesen, unter denen dort Internierte ausharren mussten; und es war eine der ersten großen Entscheidungen der sozialdemokratischen Regierung von Kevin Rudd nach dem Machtwechsel 2007, diese Lager zu schließen.

Jetzt hat seine Nachfolgerin Julia Gillard ein Gesetz durchgebracht, das letztlich wieder an jene unsäglichen Verfahren anknüpft. Geradezu triumphierend verwies der konservative Oppositionsführer Tony Abbott darauf, dass sie nun genau das tue, was sie einst wortreich verdammt habe. Beide Parteien haben sich am Dienstag auf einen Kompromiss verständigt, da die Regierung ohne fehlende Mehrheit vor allem im Oberhaus, dem Senat, die ursprüngliche Gesetzesvorlage kaum durchs Parlament gebracht hätte. Die Konservativen setzten u.a. noch den Passus durch, dass Flüchtlingsboote auch zur Umkehr nach Indonesien gezwungen werden dürfen.

Eben dort legen die oft kaum seetüchtigen und überladenen Fahrzeuge ab. Die Insassen kommen aus diversen Ländern, Flüchtlinge aus Afghanistan, Sri Lanka und Iran sind aber seit Jahren in der Mehrheit. Vergangenes Wochenende etwa wurden 170 Neuankömmlinge gezählt. Seit Jahresbeginn sind nach amtlichen Angaben schon 7629 Flüchtlinge in 114 Booten eingetroffen - 4565 waren es im Vorjahr, 6536 im Jahr 2010. Seit 2009 fanden bei den Überfahrten etwa 600 Menschen den Tod. Allein über 100 Opfer gab es Ende Juni, als vor der Weihnachtsinsel zwei Boote sanken. Momentan wird ein Boot vermisst.

Eine unlängst von der Regierung eingesetzte dreiköpfige Kommission unter Leitung von Luftwaffenmarschall Angus Houston hatte mit ihrem Abschlussbericht faktisch die Vorlage für das Gesetz geliefert. Zu dem Gremium gehörte auch Paris Aristotle, einer der namhaftesten Aktivisten in Sachen Flüchtlingsrecht. Dass ausgerechnet er sich - wenngleich »schweren Herzens« - zu einer Wiedereröffnung der Lager auf Nauru und Manus Island bekennt, sorgte in der Szene für Unverständnis und Kritik. Aristotle, Leiter der Victorian Foundation for Survivors of Torture, hatte im Rahmen einer Sonderkommission seinerzeit die unhaltbaren Zustände des Nauru-Camps besichtigt und für einen Transfer dort Internierter auf das Festland gesorgt.

Seinen Schwenk verteidigte er jetzt in einem Interview mit dem »Sydney Morning Herald« mit veränderten Rahmenbedingungen, die man nunmehr schaffen könne. Die Einrichtungen müssten besser überwacht und in ein regionales Gesamtsystem mit den Nachbarstaaten integriert werden. Auch sei nicht daran gedacht, die Flüchtlinge »vier, fünf Jahre dort festzuhalten«. Im Gegensatz zu ihm jedoch glauben andere Flüchtlingsaktivisten den Zusicherungen der Politik nicht, dass eine neue »pazifische Lösung« wesentlich humaner sein werde als die bis 2007. Zudem bestehe die Gefahr, dass das Asylregime mit einem absehbaren Wahlsieg der Konservativen 2013 weiter verschärft werden könnte.

nd-Karte: Wolfgang Wegener

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