Fahnenstreit auf dem Traumschiff

Protest gegen Ausflaggung und Lohndumping auf See

  • Reinhard Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.
Durch die Registrierung ihrer Schiffe unter den Flaggen obskurer Mini-Staaten oder Inseln wie Malta oder Bahamas sparen deutsche Reeder jährlich Millionen an Löhnen und Sozialabgaben. Mitglieder der LINKEN demonstrierten gegen diese Praxis der Ausflaggung während der Einfahrt der deutschen Olympioniken in den Hamburger Hafen.

Während Tausende Hamburger und Touristen zum Cruise Center in die Hafencity strömten, um am Mittwoch die per Schiff anreisende deutsche Olympiamannschaft zu begrüßen, demonstrierten Mitglieder der LINKEN gegen die Ausflaggungspraxis deutscher Reedereien. Unter der Überschrift »Ausflaggen ist Lohndumping« verteilten sie Flugblätter, gegen diese seit Jahren übliche Praxis, also der Registrierung von Schiffen etwa unter der Flagge Maltas oder der Bahamas. »An der Ausflaggung zeigt sich das ganze Elend der Globalisierung und des Neoliberalismus«, heißt es in dem Infoblatt. »Die Arbeitsbedingungen für die einfachen Seeleute werden abgesenkt, damit die Profite der Unternehmer und Eigner steigen.«

Anlass für die Aktion in der Hamburger Hafencity war der in der Öffentlichkeit ausgetragene Streit um die geplante Ausflaggung der MS »Deutschland«. Der Eigner, die Reederei Peter Deilmann, wollte das Schiff unter der Flagge Maltas registrieren lassen. Die Vorteile: Das deutsche Steuerrecht, ebenso Tarifverträge für die Mitarbeiter gelten dann nicht mehr, Löhne und Gehälter können drastisch abgesenkt werden.

Doch die Mannschaft mit ihrem Kapitän Andreas Jungblut hatte die Absichten der Reederei, die übrigens schon lange einem Global Player, dem Finanzinvestor Aurelius AG, gehört, öffentlich gemacht. Die Folge war ein Aufschrei, denn bei der »Deutschland« handelt es sich um das ehemalige ZDF-»Traumschiff« aus der gleichnamigen Serie, die Traumquoten einfuhr und den Zuschauern eine heile Kreuzfahrtwelt vorgaukelte. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck äußerte Verständnis für den Protest.

Doch die Kreuzfahrtwirtschaft, eine boomende Branche mit zweistelligen Zuwachsraten, ist höchstens noch für die Passagiere und die Reeder heil. »Die ›Deutschland‹ ist das letzte große Passagierschiff, das noch unter deutscher Flagge fährt«, erklärte Gerald Kemski-Lilleike vom Vorstand der Hamburger LINKEN: »Die großen Player haben alle ausgeflaggt, auch Hapag Lloyd fährt unter ausländischer Flagge.«

Nach Auskunft der Reederei Deilmann soll die »Deutschland« nun vorerst nicht ausgeflaggt werden. »Wir fahren weiter unter deutscher Flagge, solange es geht«, sagte Sprecherin Cornelia Kneiffl. Allerdings handelt es sich hierbei wohl nicht wirklich um einen Akt purer Menschenfreundlichkeit, gepaart mit einem Schuss Patriotismus: Die deutschen Reeder verlangen einen finanziellen Ausgleich von der Bundesregierung. Reeder, die ihre Schiffe nach Deutschland zurückflaggten, wurden nämlich belohnt. Als Ausgleich für die nun zu zahlenden höheren Löhne und Sozialabgaben unterstützten die Steuerzahler die Schiffseigner mit etwa einer Milliarde Euro jährlich.

Doch in den letzten Jahren wurde diese direkte Subvention gekürzt. Beim Kreuzfahrtschiff »Deutschland« lag diese »Flaggenförderung« noch 2009 bei rund 1,5 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr sei diese Subvention um 80 Prozent gesunken, klagte die Reederei Deilmann. Die Klagen blieben nicht ungehört. Laut »Welt Online« hat der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Jochim Otto, eine Wiederanhebung der Flaggenförderung in Aussicht gestellt.

Ver.di-Sekretär Andreas Bahn vermutet, »dass Deilmann die Ausflaggung zu einem späteren Zeitpunkt vornimmt«. Die Gewerkschaft wollte den »Deutschland«-Kapitän Jungblut für sein couragiertes Auftreten gegen die geplante Ausflaggung mit einer Goldmedaille in der Disziplin »Solidarität« ehren. Doch eine Ver.di-Ehrung auf dem Schiff inklusive Ansprache habe die Reederei verhindert, sagte Bahn. Auch an Land war der Protest nicht sonderlich genehm. Die Mitglieder der LINKEN wurden von Polizei und Sicherheitspersonal vom Vorplatz des Cruise Centers verwiesen. Es handele sich um Privatgelände, war die Begründung.

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