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Land der Augenblicke

Landschaften von Karl Hagemeister im Bröhan Museum Berlin

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Fern der Großstadt lebte Karl Hagemeister (1848-1933), Sohn eines Obstzüchters aus Werder, von frühen Studienreisen nach Belgien, Holland und Italien und später auch nach Paris abgesehen, in seiner havelländischen Heimatlandschaft - in Ferch, im Entenpfuhl und in Werder. Deren spezifische Stimmung suchte er zu erfassen. »Die Stimmung ist die Trägerin des seelischen Elements der Landschaft«, bekannte er. Den Stimmen, die ihm aus der Natur entgegentönten, wollte er mit der eigenen, künstlerischen Stimme antworten. Aus dem jeweiligen Stimmungston eines Wald- oder Wiesenstücks, einer See- oder Sumpflandschaft, der Birken am See, des weißen Mohnes oder der Seerosen entwickelte er Licht und Schatten, trug er die Farbe in differenziert ausdrucksfähigen vibrierenden Flecken und Strichen aus reinen - also nicht aus der Palette vermischten - Farben auf. Mit der Grundierung der jeweiligen »Generalstimmung« ließ er nach und nach das einzelne Detail aus ihr hervorwachsen, das war seine Arbeitsmethode.

So setzte er dunkles Geäst vor hellen Himmel, helle Stämme vor Waldesdunkel, ließ die Ufervegetation vom Wind peitschen oder dünnes Sonnenlicht durch die Bäume schimmern, gestaltete Durchblicke auf Seen und Tümpel, graue Regenstimmungen und die dann auch immer noch helle und tonige Luft in ihren vielfachen Abstufungen, schuf Vorfrühlingsbilder, in denen die Vegetation noch ruht, oder gab Wintermotive mit einer starken Schwarz-Weiß-Wirkung.

Das Bröhan-Museum, das selbst über einen repräsentativen Hagemeister-Bestand verfügt, zeigt - ergänzt durch wesentliche Leihgaben - ein halbes hundert Landschaften des »märkischen Corinth«, meist großformatige Gemälde, Pastelle und auch Zeichnungen. Wie sein Künstler-Zeitgenosse Walter Leistikow bevorzugte Hagemeister Motive von den märkischen Seen; seit 1907 kamen dann auch See- und Küstenbilder von der Insel Rügen hinzu, die hier aber nicht gezeigt werden. Diese märkischen Bilder verbindet häufig das Kompositionsprinzip einer diagonal ins Bild führenden Uferzone, an dem vorderen Bildrand neigen sich Zweige wie bergend über die Fläche, erst durch sie hindurch ist der Blick auf die Landschaft möglich. Im Unterschied zu Leistikow bevorzugte Hagemeister den intimen Ausschnitt, dem die frei bewegte Malweise jedoch den Ausdruck des Wachsen und Werdens verleiht.

Hatte Hagemeister in der Zeit der Freundschaft mit dem Stillleben-Maler Carl Schuch einer mehr dunklen Tonmalerei gehuldigt, in der die Landschaft ein monumentales Bild der Stille bot, feierlich und ruhig, mitunter melancholisch, aber auch von ornamentalem Reiz, so wandte er sich bald einer elementaren, rhythmischen, sprühend farbigen oder licht-zarten Ausdrucksweise zu, setzte an die Stelle der gemalten Wirklichkeit allmählich die Wirklichkeit der Malerei. Die Landschaft wird zum reinen Anlass des Sehens, und das Sehen selbst wird jetzt gemalt, nicht mehr der Gegenstand. Der Pinsel genügt dem Maler nicht mehr, er nimmt die Spachtel, den Handballen, ja den ganzen Ärmel, um seinem leidenschaftlichen Impuls Ausdruck zu verleihen. Hier bereits, vor allem dann aber in seinen Seestücken, in denen es um die elementare Gewalt des Meeres, der steigenden und stürzenden Wellen geht, näherte sich Hagemeister dem Expressionismus an, wie überhaupt im ausschließlichen Naturbild etwas von der unruhigen Zeiterfahrung aufbricht, die selbst den abgeschieden lebenden Künstler erreichte. Nach mehr als 50 kreativen Jahren entstand nach 1917 dann kaum noch ein Bild von ihm. Doch bis heute haben die ein ganzes Säkulum zurückliegenden Bilder ihre Frische und Lebendigkeit behalten.

Bröhan-Museum, Berlin-Charlottenburg, Schloßstr. 1a, Di-So 10-18 Uhr, bis 7. Oktober. Hagemeister-Monographie von Margrit Bröhan, 20 Euro.

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