Kampf um Berliner Wasser - Ende gut, alles gut?

  • Harald Wolf
  • Lesedauer: 4 Min.

Ist jetzt alles klar, nachdem das Bundeskartellamt (BKartA) eine Preissenkung verfügt, der Senat beschlossen hat, die Anteile von RWE zurückzukaufen und auch Veolia bereit ist, seine Anteile an Berlin zu veräußern? Kommen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wieder in kommunales Eigentum und werden die Wasserpreise sinken? So einfach ist es leider nicht. Die BWB bestreiten nach wie vor die Zuständigkeit des Kartellamts und versuchen so, der Preissenkungsverfügung zu entgehen. Eine klare Strategie des Senats für die Zukunft des Unternehmens und der Wasserpreise ist bislang nicht zu erkennen.

Rekommunalisierung ist kein Selbstzweck. Ziel muss es sein, dass das Land wieder bestimmenden Einfluss auf das Unternehmen bekommt, nachdem 1999 die unternehmerische Führung auf RWE und Veolia übertragen wurde. Die preistreibenden Kalkulationsregeln, wie die garantierte Verzinsung und die Ausgleichspflicht des Landes gegenüber den Privaten, müssen abgeschafft werden. Das kann realistischer Weise nur gelingen, wenn Berlin nicht nur den RWE-Anteil, sondern auch den Veolia-Anteil übernimmt. Denn warum sollte ein Privatunternehmen - jenseits kosmetischer Korrekturen - auf einmal vertraglich zugesicherte Renditen verzichten?

Wie aber werden sich die Wasserpreise nach einer möglichen Rekommunalisierung entwickeln? Der Senat hat erklärt, dass sich der Rückkauf der Anteile aus dem Gewinn für den zurückgekauften Anteil der privaten Investoren refinanzieren lasse. Aber: Kann beides funktionieren: Senkung der Wasserpreise und eine Finanzierung der Rekommunalisierung aus den Gewinnen?

Das Bundeskartellamt hat in seiner Preissenkungsverfügung festgestellt, dass die Trinkwasserpreise der BWB missbräuchlich überhöht sind und eine Senkung der Preise um ca. 17 Prozent angeordnet. Ursächlich für die hohen Preise sind nicht hohe reale Kosten der Wasserversorgung - so das Kartellamt -, sondern dass »die kalkulatorischen Kosten sowohl absolut als auch relativ überdurchschnittlich hoch sind«. Kalkulatorische Kosten, das sind zum einen der hohe garantierte Zinssatz und zum anderen hohe kalkulatorische Abschreibungen u.a. durch sehr kurze Abschreibungszeiträume und eine »sehr hohe Bewertung des Anlagevermögens« (BKartA).

Der zentrale Hebel zur Senkung der Wasserpreise kann also nicht in Kostensenkungen zu Lasten der Beschäftigen oder der Versorgungssicherheit und -qualität bestehen. Vielmehr muss die Verzinsung des sogenannten betriebsnotwendigen Kapitals gesenkt werden, die Abschreibungszeiträume müssen auf ein branchenübliches Maß verlängert und das überbewertete Anlagevermögen realistisch neu bewertet werden. Von Seiten des Senats und der Koalitionsparteien liegen hierzu bislang keinerlei Vorschläge vor.

Im Gegenteil: Die Modellrechnung, mit der der Senat zeigen will, dass der Kauf des RWE-Anteils durch die Gewinne auf diesen refinanziert werden kann, geht von der bisherigen Wirtschaftsplanung der BWB und damit von den bisherigen Kalkulationsgrundsätzen aus. Zudem bezieht sich die Preissenkungsverfügung des Kartellamts allein auf die Trinkwasserversorgung, da nach herrschender Meinung die Abwasserversorgung nicht dem Kartellrecht unterliegt. Die Abwasserpreise (die übrigens den größeren Anteil am Gesamtwasserpreis ausmachen) unterliegen aber den gleichen überhöhten kalkulatorischen Kosten, die den Trinkwasserpreis in missbräuchliche Höhe getrieben haben. Nicht nur die Kalkulationsregeln für Trinkwasser, sondern auch für Abwasser müssen also mit der Konsequenz einer Preis- und Gewinnsenkung korrigiert werden. Damit aber ist die Modellrechnung des Senats Makulatur.

Deshalb muss die Diskussion über die Rekommunalisierung vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Statt des gegenwärtigen Mottos des Senats: »Zunächst kaufen und dann sehen wir weiter« ist eine klare Zielbestimmung für die Zukunft des Unternehmens, der Beschäftigen und der Wasserpreise vonnöten. Erst daraus ergibt sich auch, wie die Kosten einer Rekommunalisierung refinanziert werden können. Und dazu gehört nicht nur die Frage, welche Erträge das Land nach Senkung der Wasser- und Abwasserpreise aus den BWB künftig erhält. Berücksichtigt werden muss z.B. auch, dass Berlin gegenwärtig überhöhte Preise für die Straßenregenentwässerung zahlt und ein großer Wasserverbraucher ist. Eine Änderung der Kalkulationsgrundsätze und die Senkung der Wasserpreise würden also auch in deutlichem Umfang Ausgaben des Landes reduzieren.

Was wir also brauchen, ist dringend eine Gesamtstrategie und eine ganzheitliche Betrachtung der Auswirkung einer Rekommunalisierung und gesenkter Wasserpreise. Sonst droht nach einer verheerenden Privatisierung durch SPD und CDU im Jahre 1999 eine missratene Rekommunalisierung im Jahr 2012 durch die gleichen Parteien.

Harald Wolf (LINKE) war zwischen 2002 und 2011 Wirtschaftssenator in Berlin.

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