Arbeit immer mieser

Statistisches Bundesamt sieht bedrohliche Trends in Deutschland

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nacht- und Wochenendarbeit hat in der Bundesrepublik deutlich zugenommen. Zu diesem Schluss kommt das Statistische Bundesamt in seinem aktuellen Bericht zur »Qualität der Arbeit«. Um die Qualität scheint es generell schlecht bestellt zu sein: Befristete Beschäftigung und längere Arbeitszeiten sind auf dem Vormarsch, während die Tarifbindung rückläufig ist.

Ist es der sprichwörtliche deutsche Fleiß oder doch die Angst um den eigenen Job? Einem Bericht des Statistischen Bundesamtes zufolge arbeitete ein Viertel aller Beschäftigten im letzten Jahr auch samstags. 1996 betraf dies nicht einmal 19 Prozent. Zudem erhöhte sich der Anteil der Personen, die nachts arbeiten mussten, im selben Zeitraum von 6,8 auf 9,6 Prozent. Nachzulesen sind die Zahlen im am Montag veröffentlichten Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes (Destatis) »Qualität der Arbeit 2012«.

Offenbar hat die Qualität stark nachgelassen. So arbeiteten die Deutschen 2011 nicht nur häufiger nachts und am Wochenende, auch generell hatten sich die Arbeitszeiten verlängert. Wer eine Vollzeittätigkeit ausübte, der arbeitete im Mittel 40,7 Stunden pro Woche. Damit lagen die Deutschen über dem Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Wochenarbeitszeit Vollbeschäftigter »um etwa 40 Minuten pro Woche angestiegen«, so das Destatis.

Hingegen ist die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten seit Mitte der 1990er Jahre um etwa eine Stunde zurückgegangen. Die Betroffenen arbeiten durchschnittlich 18,2 Stunden pro Woche und damit deutlich weniger als ihre Kollegen in der EU mit 20,2 Stunden. Übrigens: Mehr als 80 Prozent der deutschen Erwerbstätigen in Teilzeit waren Frauen.

Aufhorchen lässt ein weiterer Befund der Statistiker: Demnach hat sich auch der Einstieg ins Berufsleben verändert. »Junge Erwerbstätige beginnen ihr Arbeitsleben heute mit weniger Beschäftigungssicherheit«, schreibt Destatis. Im Jahr 2011 hatten 19 Prozent der 25- bis 34-jährigen Erwerbstätigen einen befristeten Arbeitsvertrag. Somit hat sich dieser Anteil innerhalb von 15 Jahren beinahe verdoppelt. Im Jahre 1996 mussten nur zehn Prozent der jungen Arbeitnehmer Befristungen hinnehmen.

Besonders verbreitet war die Arbeit unter Vorbehalt bei Berufseinsteigern und Stellenwechslern: 40 Prozent derjenigen, die im Jahr 2011 erst seit weniger als zwölf Monaten für ihre Firma tätig waren, hatten einen befristeten Arbeitsvertrag.

Zudem ist die Tarifbindung auf dem Rückzug: Nur noch für 61 Prozent der Arbeitnehmer im Westen waren 2011 über Kollektivverträge abgesichert. Fünfzehn Jahre zuvor galt dies für 76 Prozent. Noch düsterer ist die Lage im Osten: Hier hatten im letzten Jahr nur noch 49 Prozent der Arbeitnehmer einen Tarifvertrag. Der stete Kampf der Unternehmen gegen Arbeitnehmervertretungen scheint erfolgreich: 2011 waren nur noch 43 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft durch einen Betriebsrat vertreten. Wo Arbeitnehmervertreter fehlen, sinkt offenbar auch die Bereitschaft, sich zu wehren: So wurde im Jahr 2011 so selten gestreikt wie nie zuvor: Mit 1,9 ausgefallenen Arbeitstagen je 1000 Beschäftigte lag der Wert deutlich unter dem langjährigen Mittel von vier Tagen.

Nach wie vor gilt, dass Frauen schlechter entlohnt werden. Das Destatis sieht hier »deutliche Unterschiede«. So verdienten Frauen 2011 durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Bei der Besetzung von Führungspositionen wird die Benachteiligung sehr deutlich. »Auch wenn sich heute mehr Frauen in Führungspositionen befinden als 1996, waren 2011 immer noch sieben von zehn Führungskräften männlich«, so das Bundesamt. Dabei ist beinahe die Hälfte aller Arbeitnehmer weiblich.

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