"Digitale Agenda für Europa"

Technikfestival „Campus Party Europe" in Berlin Tempelhof eröffnet

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
In den Berliner Hallen des ehemaligen Flughafens Tempelhof wurde gestern Abend die „Campus Party Europe“ eröffnet. Das bereits im Vorfeld ausverkaufte Internet- und Technologie-Festival kann mit beeindruckenden Zahlen und einem umfangreichen Programm aufwarten.

Vom 21. bis 26. August findet erstmals in Berlin „das weltweit größte digitale Event für Technologie und Unterhaltung" statt, wie der Veranstalter meldet. Hacker, Entwickler, Computerspieler, Roboter-Freaks, nehmen an Programmierwettbewerben teil, lernen in Workshops, basteln Roboter und feiern ihr Zusammentreffen und Begegnungen.

Der spanische Veranstalter Futura Networks erwartet 10.000 Teilnehmer aus 66 Ländern, überwiegend aus Europa. Das Programm gestalten 450 Redner, darunter prominente Namen, vom Schriftsteller Paolo Coelho, über den Web-Erfinder Tim Berners-Lee bis zur EU-Kommissarin Neelie Kroes. Auf neun Bühnen werden 24 Themenbereiche behandelt, darunter vor allem Internet- und IT-Themen, wie Software-Entwicklung, Social Media oder Computerspiele, aber auch Biologie und Astronomie. Einen Schwerpunkt setzen wirtschaftliche Aspekte wie Entrepreneurship und Startup-Gründung und verweisen auf den kommerziellen Charakter der Veranstaltung.

Die Organisatoren haben viel Technik aufgebaut: Für jeden Teilnehmer stehe ein Netzwerkanschluss mit einer Kapazität von 1 Gbit/s bereit, erzählt Polkan Garcia, der für die technische Infrastruktur der Veranstaltung verantwortlich ist. Dazu habe man 27 Kilometer Glasfaserkabel auf dem Flughafengelände verlegt und mehrere LTE-Sendemasten aufgestellt. Die Verbindung zum Internet bietet eine Bandbreite von 100 Gbit/s, das entspricht mehr als 6000 herkömmlichen DSL-Anschlüssen. Für die angereisten Teilnehmer wurden 3000 Mini-Zelte verteilt über sechs Hangars aufgebaut.

Die Campus Party wurde 1997 von drei Spaniern ins Leben gerufen und hat sich über Spanien hinaus in Lateinamerika ausgebreitet. Hinter der Veranstaltung stehen finanzkräftige Sponsoren: Hauptsponsor ist der spanische Telefonnetzbetreiber Telefonica, der auch in Lateinamerika stark vertreten ist. Das spiegelt sich auch im Programm wider: Telefonica veranstaltet jeden Tag einen Talentwettbewerb. Und auch Mozilla und Google sind mit im Boot. Die Organisatoren erhalten Fördermittel von der EU und werden vom Berliner Senat unterstützt. Ein Senatssprecher betonte im Vorfeld die Bedeutung der Campus Party für Berlin, da die Stadt Deutschlands "Startup-Hotspot" sei. Durch Startup-Gründungen seien zahlreiche neue Jobs entstanden, dass es sich dabei überwiegend um prekäre Beschäftigungsformen handelt, erwähnte er nicht.

Das Ziel des Festivals sei das „Schreiben einer neuen digitalen Agenda für Europa", teilten die Organisatoren in einer Pressemeldung mit. Wie das konkret geschehen soll, bleibt unklar. Der Meldung ist lediglich zu entnehmen, dass die Veranstalter gemeinsam mit der EU-Kommission das Projekt TheBigThink gestartet haben, „um Ideen für die digitale Agenda für Europa zu sammeln". Die besten 5000 der eingereichten Ideen wurden ausgewählt und die Gewinner reisten mit Bussen des Veranstalters an und nehmen kostenlos an der Campus Party teil, womit sich die hohe Teilnehmerzahl erklären lässt. Laut Veranstalter liegt die Altersgruppe der Teilnehmenden zwischen 18 und 25 Jahren, nur ca. 5 Prozent der Teilnehmenden sind älter als 40.

Der Mittwoch, der erste offizielle Programmtag, bot ein buntes Bild: An Hunderten Tischen saßen Freaks vor ihren Laptops, zahlreiche Roboterkreationen waren zu bestaunen und digitale Musikexperimente schallten durch die Hallen. Während Englisch die Sprache der Vorträge ist, unterhalten sich Teilnehmer untereinander auf Spanisch. Als Highlight des Tages galt der recht kurze Vortrag von Paolo Coelho. Auf seine 15-minütige Rede folgte eine 45-minütige Diskussion. Darin sagte er zur aktuellen Urheberrechtsdebatte: „The more you share the more you receive".

Am späten Dienstagabend betonten Wirtschaftsminister Rösler, die Berliner Wirtschaftssenatorin von Obernitz und der per Video zugeschaltete Präsident der EU Kommission Barroso in ihren Eröffnungsreden mit allgemeinen Worten und austauschbaren Floskeln die wirtschaftliche Bedeutung der Digitalwirtschaft, je nach Redner mal für Berlin, für Deutschland oder für die EU. Als um 23:38 der Startschuss fiel, zogen heftige Gewitter und strömender Regen über die Stadt. Das animierte etliche „Campuseros " – wie die Teilnehmenden vom Veranstalter bezeichnet werden – vor den Hangars im Regen zu tanzen. Was außer Spaß sonst noch im Mittelpunkt stehen wird, müssen die nächsten Tage zeigen.

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