Massenmord mit Kleinwaffen

UNO-Konferenz in New York bilanziert Aktionsprogramm gegen häufigste Tötungsmittel

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Am UNO-Hauptsitz in New York geht es seit Montag um Tötungsmittel, die zwar kleine Waffen genannt werden, aber in Wirklichkeit die Massenvernichtungsmittel der heutigen Zeit sind. Unter Vorsitz der nigerianischen Diplomatin Uche Joy Ogwu wird die zweite Überprüfungskonferenz das vor über einem Jahrzehnt beschlossenen Aktionsprogramm bilanzieren.

Nach wie vor wird die Welt mit Waffen überschwemmt, durch die offiziellen Schätzungen zufolge jährlich mindestens 400 000 Menschen das Leben verlieren. Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten töten in bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen, im privaten Streit oder durch Verbrechen. Oftmals trifft es Unschuldige und Unbeteiligte. Laut einer Studie des Internationalen Roten Kreuzes sterben auf den Schlachtfeldern der Welt von 20 Menschen 19 durch Kleinwaffen. Gewehre sind mit zwei Dritteln der Kriegstoten führend - und der größte europäische Gewehrhersteller ist die deutsche Firma Heckler & Koch. Nach Angaben der Deutschen Friedensgesellschaft haben bis heute mehr als 1,5 Millionen Menschen ihr Leben durch Waffen aus dieser Firma verloren, weitaus mehr wurden verwundet.

Bereits seit dem Ende des Ost-West-Konflikts widmet sich die UNO dem Problem Kleinwaffen. Die UN-Vollversammlung verabschiedete stapelweise Resolutionen, und auch der Weltsicherheitsrat befasste sich mehrfach mit dem Thema. Im Jahre 2001 fand dann die erste internationale Konferenz ausschließlich zu Kleinwaffen und leichten Rüstungen statt und verabschiedete ein umfangreiches Aktionsprogramm. Die erste Überprüfungskonferenz von 2006 scheiterte jedoch am Widerstand der Waffenlobby. Neben Russland, Indien, Pakistan, Iran und Israel gehörten die USA damals zu den Hauptblockierern eines rechtsverbindlichen internationalen Abkommens.

Expertengruppen erarbeiteten in den vergangenen Jahren zahlreiche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Allerdings gelang es bisher nicht, die Maßnahmen völkerrechtlich bindend zu machen, und so blieb es lediglich bei politischen Absichtserklärungen. Auch bei weiteren Bemühungen gab es erbitterten Widerstand der Rüstungslobby. So gelang es im vergangenen Monat einer UN-Konferenz nicht, wie vorgesehen einen weltweiten Vertrag zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels zu vereinbaren.

Trotz einiger Fortschritte bleiben viele Maßnahmen bisher nur halbherzig. Die Waffenembargos etwa, die die UNO bisher verhängt hat, sind systematisch gebrochen worden. Zwischenhändler und Transporteure liefern die Tötungsmittel auch an Länder mit massiven Menschenrechtsverletzungen. Dadurch kommen diese Waffen auch bei Massakern, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Zivilisten beispielsweise in Sudan und im Kongo zum Einsatz. Als Herkunftsländer erscheinen immer wieder die USA, Ägypten, China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Israel, die Niederlande, Russland, die Schweiz, die Ukraine, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Balkanländer, aber eben auch Deutschland.

Eine Quelle vielfachen Leids und zahlreicher Opfer ist der private Waffenbesitz. Gerade wurde der Rechtsextremist Anders Behring Breivik in Oslo verurteilt - durch seinen Doppelanschlag vor einem Jahr starben 77 Menschen. Besonders kritisch ist die Situation in den USA, wo die vier Millionen Mitglieder zählende »National Rifle Association« den Ton angibt. Bei der Premierenvorstellung des Batman-Films »The Dark Knight Rises« am 20. Juli dieses Jahres erschien in einem Vorort von Denver der martialisch ausgerüstete 24-jährige Ex-Student James Holmes und tötete zwölf Menschen. Er war mit einem halbautomatischen Maschinengewehr, einer Pistole und einer Schrotflinte bewaffnet. In seiner Wohnung fand die Polizei ein ausgeklügeltes System von rund 30 Sprengsätzen, zwei Behälter mit explosiven Flüssigkeiten und eine große Menge scharfer Munition.

In den USA sind rund 270 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz, jährlich sterben 30 000 Menschen durch privaten Waffengebrauch. Die Zahl wächst nicht zuletzt deshalb weiter an, weil das Oberste Gericht in Washington vor zwei Jahren das Waffenverbot der Stadt Chicago als verfassungswidrig beurteilte. Damit verhalf der Supreme Court der Waffenlobby zu einem entscheidenden Sieg. Die konservativen Richter bestätigten, dass ihrer Ansicht nach der Zweite Zusatzartikel der US-Verfassung jedem Bürger das Recht gibt, eine Waffe zur Selbstverteidigung zu besitzen.

Auch in Deutschland sind laut einer Umfrage des »Focus« 6,3 Millionen private Schusswaffen registriert. Die Pistolen und Gewehre verteilen sich auf etwa 1,7 Millionen Waffenbesitzkarten und Waffenscheine, sodass auf jeden Besitzer im Schnitt etwa vier Waffen kommen.


Privater Waffenbesitz

Land / Waffenzahl (je 100 Einw.)
USA 88,8
Jemen 54,8
Schweiz 45,7
Finnland 45,3
Serbien 37,8
Zypern 36,4
Saudi-Arabien 35,0
Irak 34,2
Uruguay 31,8
Schweden 31,6
Norwegen 31,3
Frankreich 31,2
Kanada 30,8
Österreich 30,4
Island 30,3
Quelle: Small Arms Survey

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