Weltelite gegen Amateure

Istanbul will die heute beginnende Schacholympiade als Werbung für die Olympiakandidatur 2020 nutzen

  • Dirk Sander
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute beginnt in Istanbul die Schacholympiade. Am größten Mannschaftswettbewerb nehmen Spieler und Spielerinnen aus 162 Nationen teil. Rechnet man Trainer und Betreuer hinzu, werden mehr als 2000 Gäste erwartet. In Deutschland durfte zuletzt Dresden 2008 die einmalige Erfahrung machen, dass Schachsportler der ganzen Welt das Stadtbild prägen.

In der türkischen Bosporus-Metropole werden die Schachspieler freilich weniger auffallen: Sie zählt offiziell 13,5 Millionen Einwohner. Dazu kommt, dass die Wettkämpfe in den Hallen des Expo-Centers am abgelegenen Atatürk-Flughafen stattfinden.

Die Erwartungen an die Istanbuler Olympiade sind dennoch groß. Sportminister Suat Kiliç will mit ihr den Beweis führen, dass die Türkei »der stärkste Kandidat für die Olympischen Spiele 2020« ist. Schachpräsident Ali Nihat Yazici spricht vom »größten Schach᠆ereignis der Welt«. Das passt ins Bild eines Landes, das vielerorts Ambitionen anmeldet. So auch im Schachsport, auf dessen Weltkarte es bislang keine Rolle spielt, aber trotzdem in die Weltelite strebt.

Besonderen Reiz erhält die Schacholympiade dadurch, dass Weltklasseteams auf Amateure treffen. In einigen Teilnehmerländern sind die Besten kaum so stark wie eine Schulmannschaft in Russland. Aber gerade die Spieler der Weltelite lieben die Olympiade: Das bunte Spektakel ist für sie willkommene Abwechslung zu den Einzelturnieren in Moskau, London oder Wijk an Zee, die den Sport dominieren. So kommen dann auch Weltranglistenzweite Levon Aronian aus Armenien, Wladimir Kramnik aus Russland oder US-Shootingstar Hikaru Nakamura nach Istanbul. Es fehlen lediglich der indische Weltmeister Viswanathan Anand, der sich noch von seiner Titelverteidigung im Mai erholt, und der Weltranglistenerste Magnus Carlsen (Norwegen), der kurzfristig abgesagt hat.

Als Favorit geht wieder einmal die russische Mannschaft ins Rennen. Allerdings hat sie in jüngerer Zeit die Erwartungen enttäuscht. Nach Jahrzehnte langer Dominanz wurden seit 2002 alle Olympiatitel verpasst, zuletzt musste man 2010 der Ukraine den Vortritt lassen. Deutschland geht als amtierender Europameister mit der stärksten Mannschaft ins Rennen. Der sensationelle Titelgewinn 2011 beim europäischen Championat im griechischen Porto Carras sollte in Istanbul Rückenwind geben. Die deutsche Nummer eins Arkadi Naiditsch gehört zur erweiterten Weltspitze, mit Igor Khenkin und den EM-Siegern Georg Meier, Daniel Fridman und Jan Gustafsson treten die besten deutschen Schach-Großmeister an.

Im Frauenwettbewerb stehen die 18-jährige chinesische Weltmeisterin Hou Jifan und ebenfalls die russische Mannschaft im Mittelpunkt. Eine Besonderheit: Die Weltranglistenerste Judit Polgar spielt für das ungarische Männerteam. Bei den deutschen Frauen ist die Erfurterin Elisabeth Pähtz der Star. Die 27-Jährige hat sich in der Weltspitze etabliert und gilt als stärkste deutsche Schachspielerin der Nachkriegszeit. Seit Jahresbeginn lebt sie in Ankara und ist als Jugendtrainerin für den türkischen Schachverband tätig. Zusammen mit den Großmeisterinnen Marta Michna, Tatjana Melamed, Melanie Ohme und Elena Lewuschkina will sie bis zum 9. September in Istanbul um die Medaillen kämpfen - hinter den Topfavoriten aus China und Russland.

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