Wellenbrecher in der Schlacht um den Euro

Madrid hofft auf weiche Konditionen

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit zunehmender Abneigung wird heute Bundeskanzlerin Angela Merkel in der spanischen Hauptstadt Madrid empfangen. Der Besuch wird breit diskutiert und die Empörten-Bewegung ruft zu Protesten auf.

»Merkel go home!« Weil die Indignados (Empörten) die Spanischkenntnisse der Bundeskanzlerin eher gering einschätzen, soll sie mit Allerweltsenglisch unfreundlich empfangen werden. Sie wird stellvertretend für die »neoliberale und kapitalistische Ideologie verantwortlich gemacht, die uns mittels der Beschneidung von Grundrechten aufgezwungen werden soll«, schreibt die Empörten-Plattform »Wahre Demokratie Jetzt« in ihrem Aufruf.

Auf der Website von »Wahre Demokratie Jetzt« findet sich starker Tobak. Dort ist vom »sozialen Genozid« die Rede, für den neben Banken auch die Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) verantwortlich sei. Dass die Troika bald auch Spanien kontrollieren und Vorgaben machen wird, gilt als ausgemacht. Längst stimmt die konservative Regierung die Öffentlichkeit auf eine Rettung ein.

Die regierende Volkspartei (PP) erklärt nun, eine Rettung »muss nicht negativ sein«. Man dürfe sie »nicht verteufeln«, meinte die Generalsekretärin María Dolores de Cospedal. Lange hatte die PP sie verteufelt. Als der begrenzte Antrag zur Bankenrettung mit 100 Milliarden Euro beim temporären Rettungsfonds (EFSF) gestellt wurde, tat Ministerpräsident Mariano Rajoy noch so, als trage Spanien dafür nicht die Verantwortung. Dass damit doch Auflagen einhergehen, zeigte die dritte Finanzmarktreform der PP in nur sechs Monaten, die am Freitag verabschiedet wurde.

Kein Zufall war, dass Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Dienstag im »Handelsblatt« die Rettung als »Option« bezeichnete, doch »erst einmal müssen die Bedingungen geklärt sein«. Spanien will Merkel davon überzeugen, dass die umstrittenen Ankäufe spanischer Staatsanleihen durch die EZB geeignet sind, um die hohen Zinsen zu senken und die Refinanzierung des Landes zu sichern. Spanien sei der »Wellenbrecher« in der »Schlacht um den Euro«, bemühte De Guindos drastische Worte.

Noch immer hofft Madrid, anders als Griechenland, Irland, Portugal nicht ganz unter den Rettungsschirm gehen zu müssen und stattdessen weiche Bedingungen zu erhalten. Zunächst soll der bisherige Bankenrettungsantrag nur um einen Antrag zum Anleihekauf erweitert werden, damit Rettungsfonds spanische Staatsanleihen kaufen dürfen. Damit soll eine umfassende externe Kontrolle der Staatsfinanzen verhindert werden. Vor Auflagen kann Rajoy keine Angst haben. Maßnahmen, wie sie Portugal verordnet wurden, setzt er längst präventiv um.

Rajoy will, dass Merkel auf die Bundesbank einwirkt, den Widerstand gegen die Anleihekäufe der EZB aufzugeben, wenn der Rettungsantrag ausgeweitet wird. Nur wenn gleichzeitig die EZB massiv spanische Anleihen kauft, besteht eine Chance, die Zinsen nachhaltig senken zu können. Doch damit werden neue Risiken auf die EZB abgewälzt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann spricht von einer Staatsfinanzierung über die EZB, die könne »süchtig machen wie eine Droge«. Aufgabe der Notenbank ist jedoch, für Geldwertstabilität zu sorgen. Wird aber die Notenpresse angeworfen, steigen Inflationsgefahren.

Experten gehen ohnehin davon aus, dass damit der komplette Gang unter den Rettungsschirm nur verzögert wird. Vermutet wird, dass Rajoy nur Zeit gewinnen will, damit seine PP bei den vorgezogenen Neuwahlen im Oktober im Baskenland und Galicien nicht einbricht und in Galicien die Macht verliert. Die Lage im Land spitzt sich immer bedrohlicher zu. Rajoys Sparkurs hat sogar dazu geführt, dass mitten im Tourismus-Sommer im August 40 000 Stellen verloren gingen. Die Sozialversicherung verlor sogar 140 000 Beitragszahler.

Da viele befristete Verträge auslaufen und eine Kündigungswelle im öffentlichen Dienst ansteht, dürfte die Arbeitslosigkeit sogar auf sechs Millionen und über 26 Prozent steigen. Schon jetzt werden die Sozialkassen ausgezehrt. Die Rentenversicherung musste im Juli erstmals 4,4 Milliarden Euro aus den Reserven entnehmen, weil die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken. 8,1 Millionen Rentner stehen nun 17 Millionen Beitragszahlern gegenüber. Da neue Löcher drohen, wird erwartet, dass eine neue Rentenreform und Kürzungen folgen. Die Empörten haben unterdessen für den 25. September eine Belagerung des Parlaments angekündigt. Zielsetzung: der Rücktritt der Regierung Rajoy.

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