Turbulente Zeiten, viele Kämpfe und einige Siege

100 Jahre Karl-Liebknecht-Haus - ein Grund zum Feiern für die LINKE

  • Ronald Friedmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Am gestrigen »Tag des offenen Denkmals« öffnete auch das Karl-Liebknecht-Haus seine Türen. Zahlreiche Besucher absolvierten einen Schnellkurs in Geschichte.

Kaum ein anderes Gebäude in Berlin steht so für die wechselvolle Geschichte des vergangenen Jahrhunderts wie das Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz. Von dieser Tatsache ließen sich zahlreiche Besucherinnen und Besucher leiten, die am Wochenende die Gelegenheit nutzten, das geschichtsträchtige Haus in der Nähe des Alexanderplatzes zu besichtigen und gemeinsam mit der LINKEN das Jubiläum zu feiern.

Was sie erlebten, waren unter anderem Einblicke in Räume, die der Öffentlichkeit für gewöhnlich nicht zugänglich sind: die Büros der beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, der Raum, wo sich vor 80 Jahren möglicherweise das Arbeitszimmer des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann befand, und schließlich die Kellerräume, die legendären »Katakomben«, über die schon in der Weimarer Republik die wildesten Gerüchte kursierten.

Verbunden war die Besichtigungstour mit einem »Schnellkurs« in Geschichte des Karl-Liebknecht-Hauses: Es wurde 1912 als erstes Gebäude am damaligen Bülowplatz zunächst als Fabrik- und Geschäftshaus errichtet. Die Volksbühne gegenüber entstand erst in den Jahren 1913 und 1914. Die von Hans Poelzig im Stil der »Neuen Sachlichkeit« entworfenen Wohnbauten in der Nachbarschaft wurden sogar erst Mitte der 20er Jahre gebaut.

Von 1926 bis 1933 war das Karl-Liebknecht-Haus Sitz der Kommunistischen Partei Deutschlands und ihres Zentralkomitees, wobei bis heute nicht geklärt ist, wann und wie die Entscheidung fiel, das Haus nach Karl Liebknecht zu benennen. In diesen Jahren, den wohl intensivsten in der Geschichte das Hauses, war es Arbeitsplatz von Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, aber auch von Herbert Wehner. Es war Sitz der Redaktion und der Druckerei der »Roten Fahne« und anderer Publikationen der KPD. Unter dem Dach des Karl-Liebknecht-Hauses hatten Künstler wie John Heartfield, Max Gebhard u.a. ihre Ateliers. Und es war Ort großer und repräsentativer Ausstellungen mit Tausenden Besuchern.

Zur Geschichte des Karl-Liebknecht-Hauses gehören aber auch die regelmäßigen Attacken der preußischen Polizei und die blutigen Überfälle der deutschen Faschisten. Das Karl-Liebknecht-Haus war Ausgangspunkt und Ziel großer Demonstrationen des Berliner Proletariats, zuletzt im Januar 1933.

Nach dem Machtantritt Hitlers wurde es von der SA besetzt und als »wildes KZ« missbraucht. Es folgten die Enteignung als »Herd staatsfeindlicher Umtriebe« und die Umbenennung in »Horst-Wessel-Haus« - es wurde Sitz verschiedener preußischer Behörden. Ende April 1945, in den letzten Kriegstagen, wurde das Karl-Liebknecht-Haus in großen Teilen zerstört. Zwischen 1948 und 1951 erfolgte der Wiederaufbau als Büro- und Gästehaus der SED, anschließend war es Sitz verschiedener Abteilungen des ZK. Zwischen 1959 und 1990 waren im Karl-Liebknecht-Haus vor allem jene Bereiche des Instituts für Marxismus-Leninismus untergebracht, die für die Herausgabe der Werke von Marx und Engels, die berühmten »blauen Bände«, zuständig waren.

Ab Mai 1990 rückte das Karl-Liebknecht-Haus als Sitz der PDS und ihres Parteivorstandes erneut in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Symbolhaft stand es jahrelang für die Bestrebungen bundesdeutscher Behörden, die PDS vor allem mit juristischen Mitteln zu bekämpfen: Nur zwei Wochen nach der »Wiedervereinigung« kam es zum ersten massiven Polizeieinsatz. Zahlreiche weitere Besetzungen und Durchsuchungen, immer wieder verbunden mit der Beschlagnahme von zahllosen Dokumenten, folgten, bis 1995 mit einem Kompromiss zwischen der PDS, der Treuhandanstalt und der sogenannten Unabhängigen Kommission Rechtssicherheit hinsichtlich der Eigentumsrechte der PDS am Karl-Liebknecht-Haus geschaffen wurde.

Seit 2007 ist das Karl-Liebknecht-Haus Sitz der LINKEN und schon deshalb immer wieder in den Schlagzeilen.

Übrigens: Wer das Karl-Liebknecht-Haus besichtigen möchte, muss nicht bis zum nächsten Jahr, zum nächsten »Tag des offenen Denkmals« warten. Man kann auch »zwischendurch« einen Besichtigungstermin vereinbaren.

Vom Autor erschien im vergangenen Jahr »Die Zentrale. Geschichte des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses«. Karl Dietz Verlag, 9,90 Euro.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal